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Der Assistent der Sterne

Der Assistent der Sterne

Titel: Der Assistent der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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Verstecke gesehen hatte.
    »Hier«, sagte Miguel. »Señor.« Er verschwand hinter derGeheimtür, Jensen folgte ihm. Es war stockdunkel in dem Raum, der Boden vibrierte.
    »Mach Licht«, sagte Jensen.
    »Señor.« Miguel knipste das Licht an und wies mit der Hand auf Ilunga Likasi. »Die Frau, Señor.« Er lächelte, er hatte seinen Teil der Abmachung erfüllt.
    Ilunga Likasi stand von der Pritsche auf. Sie war nicht gefesselt, es war nicht nötig, die Tür ließ sich nur von außen öffnen. Ihr weißer Wintermantel lag über der Stuhllehne.
    »Komm«, sagte Jensen. »Wir gehen.«
    Sie schaute ihn an, einäugig, das andere Auge war zugeschwollen.
    »Wohin?«, fragte sie. Sie schien sich nicht zu wundern, ihn zu sehen. Im Gegenteil, es schien ihr zu missfallen.
    »Ich bringe dich hier raus. Und dann fahren wir zur Polizei. Komm jetzt, wir haben keine Zeit.«
    »Und der da?« Sie warf Miguel einen wütenden Blick zu.
    »Der ist kein Problem.«
    Miguel verstand kein Flämisch, aber das Wort Problem schon, er sagte: »Yes. No problem. Go now! Go!«
    »Shut up!«, schrie sie. Sie sprang Miguel an, schlug ihm die Faust ins Gesicht, Jensen riss sie von ihm weg.
    »Ich bin allein«, flüsterte er ihr zu. »Wir müssen weg. Reiß dich zusammen.«
    Sie schlug nach ihm.
    »Und du? Woher weiß ich, dass das kein Spiel ist? Du und dieses Schwein, ihr steckt doch unter einer Decke!«
    »Ich gebe dir fünf Sekunden«, sagte er. »In fünf Sekunden verlasse ich diesen Raum. Mit oder ohne dich.« Fünf Minuten hatte er sich selbst gegeben; sie waren um. Annick blutete, und selbst wenn er, was er vorhatte, mit durchgedrücktem Pedal nach Brügge fuhr, würde er erst in einerStunde bei ihr sein. Nein, dachte er, wir fahren nicht zur Polizei, ich nicht, nur sie. Er würde sie in Antwerpen irgendwo aussteigen lassen, sie konnte mit dem Taxi zu Verstreken fahren.
    »Die Zeit ist um«, sagte er und ging. Seinetwegen konnte sie hierbleiben, es war gar nicht nötig, sie mitzuschleppen, er konnte Zeit sparen, wenn er auf der Fahrt zu Annick Verstreken anrief: Sie ist auf der Gigantia 2, Leopolddock, hol sie dir selbst.
    »Knall ihn ab«, sagte sie. Sie riss ihren Mantel von der Stuhllehne und folgte Jensen. »Dem kann man nicht trauen. Er hat mich geschlagen!«
    »Señor«, sagte Miguel, der ihnen nacheilte. »Kein Gefängnis für mich. Sie haben die Frau. Ich habe sie Ihnen gegeben. Kein Gefängnis für mich, okay?«
    »Kein Gefängnis«, sagte Jensen. Er ging die Treppe hoch, da war der Gang mit Miguels Kajüte, jetzt immer geradeaus, das Schott, Jensen öffnete es, jetzt rechts? Links? Nie links gehen, dachte er, er wandte sich nach rechts.
    »Señor!«
    »Halt’s Maul!«, hörte er hinter sich Ilunga Likasi sagen.
    Der Gang nahm kein Ende, und da hing ein Sanitätskasten, falsch. Dieser Kasten wäre ihm auf dem Hinweg aufgefallen, falsche Richtung. Er drehte sich um, Ilunga Likasi prallte mit ihm zusammen, sie stieß ihn von sich weg.
    »Da lang«, sagte er. Er drückte sich an ihr vorbei, übernahm wieder die Führung, zurück zum Schott, wo er links hätte gehen müssen, und kein Miguel. Er, Ilunga, Miguel, das war die Reihenfolge gewesen. Nach der Richtungsänderung hätte er Miguel vor sich sehen müssen, aber Miguel war verschwunden.
    »Lauf!«, sagte Jensen. »Schnell!«
    Sie rannten zum Schott, und jetzt geradeaus, geradeauswar links, vielleicht auch nicht, er hatte die Orientierung verloren. Der Gang streckte sich, nach ein paar Metern verzweigte er sich; verirrt, dachte Jensen, rannte aber weiter, man durfte nicht stehen bleiben, das hätte nur zu Diskussionen mit Ilunga geführt, über die Richtung, alle Richtungen waren gleich gut; und dann, nachdem er um eine Ecke gebogen war, sah er vor sich auf dem Boden etwas liegen, einen Stift, seinen, den Filzstift, den er so mochte, den mit der weichen Feder, er lag in der Nähe einer Tür. Dort bist du über die Schwelle gestolpert, dachte er, er war hingefallen und hatte offenbar seinen Filzstift verloren, der ihm jetzt den Weg nach draußen wies.
    »Da«, sagte er. »Diese Tür führt nach draußen.« Er hob seinen Stift auf, Ilunga Likasi riss die Tür auf, es war köstlich, die kalte Nachluft auf der Haut zu spüren; draußen warteten der Himmel, die Sterne, der Wagen, Jensen lachte vor Erleichterung. Die Tür stand offen, Ilunga Likasi war schon dort, wo er sich erst hinträumte, er hörte sie draußen auf dem Deck fluchen, jemand pfiff, aber nicht draußen, sondern hinter

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