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Der Assistent der Sterne

Der Assistent der Sterne

Titel: Der Assistent der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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Jaak. Verstehst du? Mein Cousin Jaak. Er hat eine Plantage. Er hat es geschafft. Er liefert nach Holland, nach Schweden, in die ganze Welt. Und das sind nicht die Scheißbananen, die du im Supermarkt kaufst. Das sind Baby-Bananen. Und Baby-Ananas. Er liefert nach Kanada, nach Paris, was du willst. Das ist nicht wie bei uns. Wenn jemand arbeiten will, in Surinam, dann wird das auch geschätzt. Die lassen dich nicht fallen. Ein Schlaganfall? Na und? Dann rappelst du dich eben auf. Und sie sehen, du kannst es. Du bist wieder da. Dann lassen sie dich machen. Sie hätte es da drüben gut gehabt, verstehst du? Ich weiß es. Jaak behandelt seine Leute gut. Klar, sagt er, klar.« Jorn trank. Es dauerte lange, bis er die Flasche wieder losließ.
    »Da gibt es viele«, sagte er. »Sie hätte sich da wohlgefühlt. Sie ist klug, sie hat studiert. Jaak hätte sie ins Büro gesetzt. Sie hätte gar nicht draußen arbeiten müssen. Aber sie wäre unter ihresgleichen gewesen. Mestizen, Mulatten, da macht Jaak keinen Unterschied. Weißt du, was er immer sagt? Er sagt, die Rasse, das ist nur eine Anpassung ans Klima. Aber wenn du Schokoladenpulver in den Weißwein schüttest, schmeckt es einfach nicht. Du kannst dich auf den Kopf stellen. Es schmeckt einfach nicht.«
    So simpel ist es also, dachte Jensen. Ein Kind, gezeugt mit einer Putzfrau aus dem Kongo: Es zu adoptieren war eine barmherzige Tat, eines guten Christen würdig, zumal wenn der Kinderwunsch der eigenen Frau so übermächtig war, dass sie dem Mann als Belohnung für das Kind, das er ihr verschaffte, sogar seine Untreue verzieh. Aber sich zu diesem Kind auch zu bekennen, das war für Jorn nicht in Frage gekommen. Dazu war ihm die Reinheit des Weißweins zu wichtig. Im Einverständnis mit Trees hatte er seine Vaterschaft verleugnet, Trees, die ein Kind wollte, aber ohne die für jeden Nachbarn sichtbare Schmach des Ehebruchs ihres Mannes. Sie zieht einen Bastard auf, hätten die Leute gesagt, also war das Waisenhaus in Lubumbashi die Lösung. Der Kongo, ein Land ohne Hoffnung, und nun konnte man den Nachbarn ein Baby präsentieren, das man aus Not und Krieg gerettet hatte, und man sagte: Wir lieben sie wie unser eigenes Kind.
    »Es schmeckt nicht«, wiederholte Jorn. »Verstehst du?«
    »Natürlich. Was sollte ich daran nicht verstehen. Deine Tochter ist eine halbe Afrikanerin. Das ist kein Umgang für einen Säufer wie dich.«
    »Du weißt gar nichts!«, schrie Jorn. »Ich liebe Vera! Noch nie, das schwöre ich dir, habe ich ihr etwas angetan. Noch nie. Sie können doch nichts dafür. Gott hat sie so geschaffen. Sie sind seine Geschöpfe, kapierst du das nicht?«
    »Wenn du sie wirklich liebst, dann lass sie frei, jetzt sofort.« Und mich dazu, dachte er.
    Jorn stand auf, er stützte sich an der Wand ab, über seinem Kopf hechelte ein Schäferhund.
    »Freilassen«, sagte Jorn. Er drehte sich zu Jensen um, schüttete einen Schluck Gin in sich hinein. »Vielen Dank. Ich lasse sie frei. Das tue ich gleich jetzt.« Er lachte. »Duhast da etwas nicht mitbekommen. Ich meine, warum. Warum, denkst du, dass ich auf diesem Schiff bin? Hm? Kannst du mir das erklären? Kommt man da ohne Intelligenztest rein, bei euch? Bei der Polizei?«
    »Ja. Du musst also schon deutlicher werden.« Sie ist entkommen, dachte Jensen. Aber war das möglich? Er hatte es bisher gar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen.
    »Ich muss nicht deutlicher werden«, sagte Jorn. »Ich muss pissen.« Er griff sich in den Hosenschlitz und urinierte in den kleinen Spültrog, in dem sich unabgewaschene Kaffeetassen stapelten. »Hörst du das?«, sagte Jorn. »Wie ein Pferd. Da unten stimmt noch alles, bei mir.«
    »Deine Tochter. Ist sie noch auf dem Schiff?«
    »Ich weiß nicht, wo sie ist. Weißt du’s? Ich weiß es nicht. Sie ist klug, das sagte ich ja schon. Und schnell. Ein kleiner Windhund. Das war sie immer. Am Sporttag, in der Schule. Das hättest du sehen müssen. Mit neun war sie ›Schnellstes Mädchen von Brügge‹. Das liegt ihnen im Blut, das Laufen.« Er zog den Reißverschluss zu und stützte sich mit beiden Händen auf das Spülbecken. Er würgte und erbrach sich.
    »Weg«, sagte er ins Spülbecken hinein. »Sie ist weg. Das Bürschchen, weißt du? Das Bürschchen ist ihr nachgerannt. Aber das Deck war glatt wie Eis, er ist ausgerutscht, dieser Idiot. Er hat sich die Zähne eingeschlagen. Und sie. Sie hat sich irgendwo verkrochen. Sie war weg. Sie kennt sich aus im Hafen. Ich hab sie doch immer

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