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Der Assistent der Sterne

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Titel: Der Assistent der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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mitgenommen, als sie noch klein war. Ich hab ihr alles gezeigt, die Schiffe, die nach Afrika auslaufen. Das hab ich jetzt davon. Das ist der Dank.« Er drehte sich um, sein Gesicht war grau, es hatte die Farbe des Wintermeeres angenommen.
    »Sie hat mich verraten«, sagte er. »Ich kann’s ihr nicht verdenken. Sie ist zur Polizei gerannt und hat ihren Vaterangezeigt, verstehst du? Das hat sie bestimmt getan. Sie hasst mich. In ihrem Wagen, als ich sie … ich habe das für Trees getan. Nicht für mich. Sie hat mir ein Messer in den Arm gestochen. Meine eigene Tochter! Hier. Schau es dir ruhig an. Damit du siehst, wozu sie fähig ist. Sie ist tapfer. Sie wehrt sich. Das ist gut. Das habe ich ihr beigebracht. Verstehst du? Siehst du das?« Er krempelte den Ärmel seines Sonntagshemdes hoch und zeigte Jensen den Verband.
    Blutgruppe Null, dachte Jensen.
    »Sie wollte mich nicht verletzen, ich hab’s in ihren Augen gesehen. Nicht verletzen. Sie wollte mich umbringen. Aber sie hat das Herz verfehlt. Sie wollte noch mal zustechen, und ich dachte, das ist doch das Beste. Ich will schon lange nur noch tot sein. Verstehst du? Ich will nicht nach Brügge zurück, ich will nicht nach Surinam, es gibt keinen Ort, wo ich noch sein will. Aber dann dachte ich an Trees. Ich wusste ja nicht, dass sie tot ist. Und ich hab ihr versprochen, ich lass dich nie allein, Trees, nie, das schwöre ich bei Gott! Und da hab ich sie geschlagen. Vera. Ich hab sie mit der Faust geschlagen. Ich musste am Leben bleiben, für Trees, verstehst du? Und jetzt ist es, als wenn du trinken willst, aber es kommt nichts. Die Flasche ist verdammt noch mal leer. Und weißt du, was ich jetzt tue? Hm? Ich will nicht im Gefängnis verrecken. Ich suche mir mein Grab selber aus. Soll sie mich doch anklagen! Die suchen mich jetzt. Na und? Das sind internationale Gewässer. Und in Paramaribo, wenn wir dort einlaufen, dann bin ich schon längst nicht mehr auf dem Schiff. Ich gehe nämlich vorher von Bord.« Er tippte sich an die Stirn. »Verstehst du? Irgendwo an der Küste. Da gibt’s nur Dschungel. Ich weiß das, ich kenne Surinam. Jaak hat mir alles erzählt. Du gehst in den Dschungel, und du verschwindest. Aber vorher kauf ich mir noch genügend von diesem Zeug.« Er griff nachder Ginflasche und hielt sie hoch wie eine Fahne. »Das ist der Plan, du Arschloch. Ich saufe mich tot, irgendwo im Dschungel. Und dann dauert es eine Weile, und eines Tages tragen die Affen meine Knochen weg.«

[ Menü ]
    28
    D as Nachtlicht flackerte. Seit drei Speisen schon. Jensen saß auf dem Boden und beobachtete es. Mehr gab es nicht zu tun. Den Verband hatte er vorhin schon gewechselt. Die Wunden am Fuß heilten gut.
    Da er sein Zeitgefühl verloren hatte, zählte er die Speisen, die ihm in regelmäßigen Abständen ein Asiate brachte, ein schon nicht mehr junger Mann mit einem freundlichen, offenen Gesicht, in dem Jensen auch ein gewisses Bedauern zu erkennen glaubte.
    »Hello. Sorry. Food«, sagte der Mann jeweils, und mit einem Lächeln stellte er Jensen den Teller und die Bierflasche hin. In der ersten Zeit hatte Jensen versucht, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Aber der Mann schien tatsächlich nur drei englische Wörter zu kennen; alles, was er darüber hinaus sagte, verstand wiederum Jensen nicht.
    Das Essen war stets hervorragend, Jensen konnte sich das nicht erklären. Auf einem Schiff war natürlich der Koch die wichtigste Person; auf einer zwei- oder dreiwöchigen Fahrt hatte die Qualität der Mahlzeiten entscheidenden Einfluss auf die Stimmung der Mannschaft. Aber was Jensen hier serviert wurde, war nicht einfach nur schmackhaft.Der Koch der Gigantia 2 war ein Künstler, seine Gerichte waren zu Jensens Lebensinhalt geworden, sie drohten ihn mit allem zu versöhnen, was ihm hier angetan wurde. Der Koch verstand es, aus einfachsten Zutaten eine Geschmackssymphonie zu komponieren, die sich im ganzen Körper entfaltete: Seine Kreationen berührten weniger den Gaumen als das Herz. An Land hätte dieser Koch zweifellos zu den Ersten seines Fachs gezählt, man hätte ihm einen Stern an die Kochmütze geheftet. Jensen hatte hin und wieder in ausgewiesenen Restaurants ähnlich gut gegessen, und jetzt hier auf diesem Frachtschiff? Es blieb ihm völlig unverständlich.
    Er wartete auf den freundlichen Asiaten, und er beobachtete das Nachtlicht.
    Jorn hatte er seit dem Gespräch im Aufenthaltsraum nicht mehr gesehen, auch nicht Miguel. Das Gespräch mit Jorn war inzwischen

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