Der Atem der Angst (German Edition)
hat es nie eingeschlossen, weil er uns beiden Jungs eingebläut hatte, dass wir es nicht anrühren dürften. Normalerweise haben wir uns daran gehalten.«
» Nur an diesem Tag nicht?« Heidi rieb sich über den Mund. Es war ihr anzumerken, dass sie diese Geschichte mitnahm.
» Nein.« Konrad gab ein leises Schnaufen von sich. » An diesem Tag nicht. Und es ist mir bis heute ein Rätsel, warum mein kleiner, dummer Bruder sich nicht an das Verbot gehalten hat.« Konrad presste die Lippen zusammen. Er fröstelte. Er wollte nicht mehr. In seinem Kopf dröhnte es. » Ich würde jetzt gerne schlafen.«
Heidi nickte. » Okay. Trotzdem wundert mich, dass die Polizei damals nie bei euch war. Denn immerhin hatte Birgit deinem Bruder an diesem Nachmittag meines Wissens noch Nachhilfe gegeben?«
Konrad nickte. » Ja, das kann sein.«
» War die Polizei damals wirklich nie bei euch? Hat nie jemand nachgefragt?«
Konrad schüttelte den Kopf. » Nein. Und es wundert mich auch nicht.«
» Warum nicht?«
» Weil ein Junge zur Clique gehörte, der der Sohn des damals ermittelnden Kommissars war.«
Heidi wandte sich erstaunt zu Henner um, der hilflos mit den Schultern zuckte. Dann durchbohrte Heidi Konrad geradezu mit ihrem Blick. » Wer? Was? Warum weiß ich nichts von dem? Wer ist der Junge? Er ist nicht auf dem Foto zu sehen.«
» Vermutlich weil er es aufgenommen hat.« Konrad legte den Kopf schief.
» Wie heißt er?«
Konrad setzte sich langsam zurück auf die Pritsche. » Du kennst ihn bestimmt. Er arbeitet inzwischen für diesen Nachrichtensender. Ist immer und überall dabei, sobald auch nur irgendjemand einen Papierkorb anzündet. Manchmal ist er so früh da, dass man denken könnte, er selbst sei es gewesen.« Konrad lächelte.
» Robert?« Heidi schrie es fast. » Verdammt noch mal! Denkt hier eigentlich überhaupt jemand mit?« Sie rauschte an Henner vorbei, heraus aus der Zelle.
Henner nickte zum Abschied. » Gute Nacht.«
Dann folgte er seiner Chefin auf den Gang. Die Beamten zogen sich ebenfalls zurück. Der letzte knipste das Licht aus. Die Tür fiel ins Schloss. Es war stockdunkel.
Konrad legte sich wieder auf die Pritsche und zog die Decke bis zum Kinn. Hatte er zu viel gesagt? Hatte er seinen Bruder doch verraten? Oder seinen Vater? Er versuchte, das Gespräch zu rekonstruieren, aber es gelang ihm nicht. Zum ersten Mal seit dem Tod seines geliebten Bruders faltete er die Hände und betete zu Gott. Um Vergebung.
67 . MAYA
» Hier könnt ihr schlafen.« Die Kommissarin, die sie Heidi nennen sollten, eilte voran ins Wohnzimmer und knipste das Licht an. Überall standen riesige Kartons herum, sie zeigte aufs Sofa. » Das kann man ausziehen. Dann ist es ein Doppelbett.«
Maya und Louis blieben unschlüssig stehen. Sie mussten erst mal begreifen, was passiert war. Die Polizei hatte sie aufgegriffen und ins Präsidium gebracht, wo sie kurz warten mussten, bis Heidi von Konrad Bohms Haus mit Isabels Portemonnaie zurückkam und mit Konrad Bohm in der Untersuchungshaft geredet hatte. Anschließend hatte die Kommissarin sie hier zu sich nach Hause gebracht. Da standen sie nun. Mit dreckigen, durchnässten Klamotten.
» Könnte ich vielleicht etwas anderes zum Anziehen bekommen? Irgendwas Altes.« Maya blickte Heidi unglücklich an. » Ich mag nicht mehr in Michelles Sachen herumlaufen.«
Heidi warf einen Blick zu Louis. » Das verstehe ich. Ihr wart beide ziemlich tapfer. Und ich habe euch ganz schön hängen lassen. Das tut mir leid. Ich hätte gleich auf die Nachricht reagieren sollen, die Louis mir im Präsidium hinterlassen hat. Aber zu dem Zeitpunkt war mein kleiner Sohn…«
» Schon gut.« Louis hob abwehrend die Hand. Er warf seine feuchte Kapuzenjacke über die Heizung und blickte sich im Wohnzimmer um. » Zum Einrichten sind Sie ja auch noch nicht gekommen.«
» Tja.« Heidi lächelte. » Das bringt der Job so mit sich. Für deine Privatangelegenheiten hast du immer zu wenig Zeit.«
» Hat Ihr Sohn das gemalt?« Louis blieb vor einer Kinderzeichnung stehen, die mit Tesafilm neben dem Durchgang zur Küche an der Wand klebte.
» Ja. Ich weiß gar nicht, wann er das da hingehängt hat.« Heidi trat an Louis heran, ohne tatsächlich auf das Bild zu achten. Stattdessen blickte sie aus dem Fenster, vor dem Henner in der Dunkelheit wartete, die Hände tief in die Jackentaschen versenkt. Sein Atem stand im Schein der Laterne als kleines Wölkchen in der Luft. Dann sah sie wieder zum Kunstwerk ihres
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