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Der Atem der Angst (German Edition)

Der Atem der Angst (German Edition)

Titel: Der Atem der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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Ich habe gefragt, ob du Michelle gesehen hast?«
    » Nein. Habe ich nicht. Und jetzt lass mich los, du Idiot!« Mascha wand ihren Arm aus seinem festen Griff.
    » Aber ich denke, sie hat bei dir geschlafen.«
    » Das hat sie dir vielleicht erzählt.«
    » Was soll das heißen?« Louis Stimme zitterte.
    Mascha zuckte mit den Schultern. » Was wohl?« Bevor Louis noch irgendetwas sagen konnte, zog sie Leine. Und er war so perplex, dass er sie nicht aufhalten konnte. Irgendwo in dem Getümmel äffte ihn jemand mit weinerlich verzerrter Stimme nach: » Michelle? Michelle? Wo bist du, mein Schatz? Hat dich jemand zum Frühstück gegessen?«
    Louis rannte hinüber zum Schuleingang, die Steintreppen rauf. Woran lag es eigentlich, dass all diese Volltrottel den Ernst der Lage nicht schnallten? Hatten die keine Nachrichten geguckt? War denen egal, was hier in St. Golden vor sich ging? Die waren alle viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Hielten sich für unsterblich oder so. Als könnten sie die Welt regieren.
    » Als junger Mensch hast du kein Gefühl für die Zerbrechlichkeit des Lebens. Du überschreitest alle Grenzen. Doch wenn du Pech hast, geht einer von euch drauf. Erst wenn du erwachsen bist, erkennst du, was passiert ist. Das ist der Charakter der Jugend.« Das war ungefähr das Letzte, was sein Vater zu ihm gesagt hatte, bevor er sich aus dem Leben und ihrer Familie geschlichen hatte. In Wahrheit hatte Louis nie verstanden, was er ihm damit hatte sagen wollen.
    Louis rannte durch die sonnengefluteten Gänge, in denen künstliche Spinnennetze und Plastikskelette von den Decken hingen. Die Sohlen seiner Sneaker quietschten auf dem alten Linoleumbelag. Vielleicht saß Michelle oben in der Klasse. Sein Herz klopfte bis zum Hals. Er war in einem Albtraum gefangen. Das alles war total untypisch für sie. Normalerweise erzählten sie sich alles. Ständig. Jedes bisschen. Sie vertrauten sich doch. Wo war sie jetzt? Was wussten ihre Eltern, was er nicht wusste? War sie doch zu Hause und durfte nicht mit ihm sprechen?
    Als Louis in die Klasse kam, starrten ihm vier Gespenster mit lang gezogenen Gesichtern aus tellergroßen Augenhöhlen entgegen. Sie hockten auf den Tischen und spielten mit ihren Handys.
    » Habt ihr Michelle gesehen?«
    Ratlos schüttelten sie ihre Köpfe. » Is’ vermutlich gesplattert worden.«
    Louis machte kehrt und rannte den Gang runter zu den Mädchentoiletten. Atemlos rief er in den gelb gekachelten Raum: » Michelle?!« Als keine Antwort kam, warf er sich auf den klebrigen Boden und guckte unter den Klapptüren in die Kabinen hinein. Da war niemand, nur ein paar zerfledderte Klorollen weichten in Pfützen auf.
    Plötzlich hörte er hinter sich eine Stimme. » Kann ich dir helfen?«
    Louis sprang auf. Zwei Schritte von ihm entfernt stand ein bulliger Schlächter in schwerer Lederschürze und Ledermaske. Er hielt ein Schlachtermesser in der blutrot geschminkten Hand. Draußen im Flur kreischte ein Mädchen einen markerschütternden Schrei. » Fass mich nicht an, du kranker Arsch!«
    Louis blickte an dem Typen mit dem Schlachteroutfit vorbei, in den Gang hinaus, wo das Mädchen an der offenen Toilettentür vorbeirannte. Gefolgt von mehreren anderen Mädchen in schwarzen Umhängen, die ihre Masken abgenommen hatten. Sie lachten zu Louis in den Waschraum und riefen: » Michelle ist da hinten.«
    Eilig quetschte er sich an dem Typen mit der Lederschürze und dem Fake-Schlachtermesser vorbei, auf den Flur hinaus. » Wo?«
    Er entdeckte sie am Ende des Ganges. Reglos. Mit ekelerregender Freddy-Krueger-Maske, von der die Gummihaut in Fetzen hing. In ihrer roten Collegejacke, die sie bei ihm liegen gelassen hatte. Den Blick starr auf ihn gerichtet.
    Louis hob die Hand. » Hey, ich hab dich schon überall gesucht. Warst du bei mir und hast deine Sachen abgeholt?«
    Michelle rührte sich nicht. Langsam ging er den Flur hinunter, auf seine Freundin zu. Hinter ihm blieben die Mädchen flüsternd zurück. Er lächelte unsicher. » Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung?«
    Michelle sah ihm einfach nur aus den schwarzen Löchern ihrer starren Maske entgegen.
    » Ich habe die ganze Zeit versucht, dich anzurufen. Warum meldest du dich nicht bei mir?«
    Sie zuckte nicht mal mit den Schultern.
    Louis schluckte. » Nimm doch mal die Maske runter.« Plötzlich zitterte seine Stimme. » Was soll der Scheiß!?«
    Als er ganz dicht vor ihr stehen blieb, packte ihn die Angst, dass gleich etwas Furchtbares passieren

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