Der Atem der Apokalypse (German Edition)
irgendwo verschleppt, wo sie jahrelang waren.«
»Ich bin kein Fremder. Ich bin sein Onkel.«
»Das kann jeder sagen.« Er hielt Cass’ Blick stand. »Ich weiß es ja auch nicht, ich finde es nur sonderbar.«
Auf dem Rückweg zum Auto legte Cass den Arm um seinen kleinen Neffen. »Also, wenn du mich irgendwas fragen willst, nur zu! Ich weiß, das kann einem ganz schön Angst machen hier, vor allem die beiden.« Er zeigte auf die beiden Schläger, die vorangingen. »Aber sie sind hier, um auf dich aufzupassen. Stell dir vor, es wären deine Wachhunde.«
Luke lächelte, aber er hielt den Kopf gesenkt.
»Es wird sich alles fügen, das verspreche ich dir. Und dann erzähle ich dir alles über deine richtige Familie und du kannst mir alles über die Leute erzählen, die sich bisher um dich gekümmert haben.« Cass sah auf den dunklen Schopf hinunter, enttäuscht, dass der Junge nichts sagte. Luke war mit den Gedanken woanders und Cass wünschte, er würde sich ihm öffnen, damit er ihn trösten konnte. Aber das würde sich wahrscheinlich mit der Zeit ergeben. Luke hatte ein paar ruhige Tage vor sich, in denen er sich seine Gedanken machen konnte. Er würde in Sicherheit sein und man würde sich gut um ihn kümmern.
Im Auto schlief Luke wieder ein und Cass streichelte ihm über den Kopf, der in seinem Schoß lag. Wie würde Christian seinen stillen Sohn finden? Was hatte Mr Bright mit ihm angestellt, dass er so duldsam war?
Pater Michael war wach und wartete auf sie. Als sie alle in seinem warmen Haus versammelt waren, wunderte Cass sich über die Rührung des alten Mannes.
»Das ist Christians Sohn?« Er lächelte. »Wie ähnlich er ihm sieht!« Er hob den Blick zu Cass. »Er hat Ähnlichkeit mit euch beiden.«
Cass zuckte wie bei jedem Gespräch, das ins Emotionale abzurutschen drohte, die Achseln. »Sind Sie sicher, dass Sie sich das zumuten wollen?«, fragte er. »Es ist hoffentlich nur für ein paar Tage.« Das hörte sich so wahr an, weil er es inständig wünschte.
»Selbstverständlich.« Pater Michael lächelte, entließ Luke endlich aus der festen Umarmung und sah ihn an. »Geh doch einfach schon mal mit einem deiner Freunde in die Küche: Da gibt es warmen Kakao und Marshmallows.«
Cass beneidete Pater Michael um den leichten Zugang, den er zu dem Jungen fand. Mit der Zeit würde er das auch besser hinbekommen, hoffte er – vorausgesetzt, die Zeit war ihnen vergönnt. Das musste man erst noch sehen.
»Komm mit, mein Freund.« Osborne führte Luke weiter in das warme Häuschen hinein. Erst dann hörten die übrigen drei Männer auf zu lächeln.
»Ich konnte ihn nirgends sonst hinbringen«, sagte Cass.
»Wenn du ihn woanders hingebracht hättest«, sagte Pater Michael, »hätte ich dir das nie verziehen. Und du weißt, dass ich so lange auf ihn aufpasse, wie du es für nötig hältst. Es ist mir eine Freude.« Seine Miene verfinsterte sich. »Aber bist du sicher, dass es nicht besser wäre, mit ihm das Land zu verlassen?«
»Irgendwohin, wo mich keiner findet?« Cass lächelte freundlich. »Und wo sollte das sein? Es gibt keinen Ort auf dieser Welt, wo Bright mich nicht aufspüren könnte, wenn er es unbedingt will. Ich muss diese Angelegenheit irgendwie zu Ende bringen.«
»Er wird nicht so leicht aufgeben.«
»Ich aber auch nicht.« Cass zögerte. Er hatte keine Ahnung, was als Nächstes kam. Er hoffte, dass Brian Freeman und Dr. Cornell etwas gefunden hatten, das sie gegen Mr Bright verwenden konnten, doch die Schwierigkeit bestand vor allem darin, frei und lebendig zu bleiben. Bis jetzt hatte Bright mit Cass nur gespielt, aber die Entführung von Luke könnte ihn so ärgern, dass er Cass endgültig loswerden wollte – entweder indem er in töten oder ins Gefängnis werfen ließ – so oder so wäre Cass’ Leben dann gelaufen.
»Noch was«, sagte er. »Falls ich aus irgendwelchen Gründen nicht wiederkommen sollte …«
»Sag das nicht«, unterbrach ihn Pater Michael.
»Ja, aber …«
»Luke kann so lange hierbleiben, wie es nötig ist. Ich kümmere mich um ihn. Darauf kannst du dich verlassen.« Als er gütig lächelte, vertieften sich die hängenden Falten in seinem Gesicht. »Ich werde ihn bis zum Letzten verteidigen.« Offenbar hatte er Cass’ Blick auf sein zerfurchtes Gesicht bemerkt. »Äußerlich bin ich vielleicht alt, Cassius Jones, aber das Feuer brennt noch. Ich passe auf deinen Jungen auf. Alan und dir zuliebe.«
Als er den Namen seines Vaters hörte, verzog Cass das
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