Der Atem der Apokalypse (German Edition)
verantwortlich und sagte ihm den Kampf an – aber wer noch? Wer half ihm dabei? Allein konnte er das nicht durchziehen.
Mr Bright fühlte sich ein wenig besser: ein neues Spiel mit DI Jones. Von allen Mitgliedern der Familie Jones hatte er ihn am wenigsten enttäuscht. Er hatte etwas von einem Rebellen. Mr Bright schenkte sich ein Glas Brandy ein. Das war wahrscheinlich auch eine Bürde des Blutes.
26
»Ich habe davon geträumt«, sagte der alte Mann. Er saß auf der Bettkante. Er war noch nicht so weit, die Sicherheit ihrer kleinen Wohnung zu verlassen, doch seit sie ihm erzählt hatte, dass der Erste aufgewacht war, war er zu ihrer Freude wesentlich besser gelaunt. Jeden Tag aß er mehr und bestand mittlerweile sogar darauf, aufzustehen und durch die Zimmer zu gehen. Falls er an seinem lang verlorenen Freund gezweifelt hatte, schien er sich beruhigt zu haben. Jedenfalls wollte er gesund und munter sein, wenn er ihn endlich traf. Es hob auch ihre müde Stimmung und half ihr, die Wahrheit in den Wind zu schlagen, dass das Rot in ihrem Haar verblasste und sie ebenfalls immer schwächer wurde. Hoffentlich meldete sich der Erste bald! Dafür sparte sie jegliche Energie, die ihr noch zur Verfügung stand.
»Ich habe geträumt, dass
er
hierherkommt.« Verwunderung prägte sein dünnes schlaff gewordenes Gesicht. Sein Mund hing offen, sodass sie die beiden letzten Zähne sehen konnte. Sie glänzten wie Sterne in den großen dunklen Lücken drumherum. Ein Wunder, dass er nicht lispelte.
»Was hast du in deinem Traum gesehen?« Sie setzte sich neben ihn.
»Eine große Schlacht«, antwortete der alte Mann leise. Sein Blick ging in die Weite an einen unbekannten Ort. »Die Trompeter beschallen den Himmel –
diesen
Himmel – mit wundervoller Musik. Ich führe sie an, so wie immer.«
»Dann muss die Musik ja wundervoll sein.« Sie lächelte ihn an.
Die Musik in seinem Traum
war
schön und schrecklich, das wusste sie, weil sie denselben Traum geträumt hatte.
»
Er
kennt keine Gnade. Diese Welt wird zerstört.« Der alte Mann sprach schubweise, als würde er die Bilder neu erleben. »Es ist die letzte Schlacht des großen Krieges, Bruder gegen Bruder.«
»Aber diesmal haben die Aufständischen keine Chance, oder?«, sagte sie. »Sie sind aus der Übung. Sie sterben in Schutt und Asche.«
Er sah sie mit seinen aufgerissenen wässrigen Augen an. »Hast du es auch gesehen?«
Sie zuckte mit den zarten Schultern. »Ich habe es geträumt, genau wie du.«
»Dann wird es wirklich wahr!« Er klang aufgeregt. »Das heißt, wir werden den Heimweg finden!«
Sie lächelte, weil sie sich über sein Glück freute. Bald würde sie gehen und ihren schmerzenden Körper in die Kälte quälen müssen, um die Suche nach Jarrod Pretorius fortzusetzen. Sie ließ ihn nicht gern allein, wenn er weinerlich war. Bis jetzt war ihre Suche vergeblich gewesen; mit den Suchmaschinen der Computer in den öffentlichen Bibliotheken war sie nicht weitergekommen. Jedenfalls hatte sie nichts Nützliches gefunden. Andererseits hatte er seinen Namen wahrscheinlich geändert … Sie wusste, dass sie ihn demnächst mit Methoden suchen musste, die zu ihrem anderen Körper gehörten, doch im Augenblick fehlte ihr dazu die nötige Energie – und sie musste vorsichtig sein. In ihrer Verfassung hätte sie nicht die Kraft, mit unerwünschter Aufmerksamkeit umzugehen.
Der alte Mann stand auf und begann, zu seiner Stärkung durch die Zimmer zu schlurfen. Sie ging mit ihrem Kaffee durch das kleine Wohnzimmer zum Fenster – es hatte den besten Ausblick und sie schaute gerne über die ungleichen Dächer der Häuser, die alt oder neu und alle voller Leben waren. In den Häusern und Wohnungen gingen die Lichter an und die Menschen liefen auf den Bürgersteigen hin und her. Sie sah sich das alles einige Minuten lang an. Sie hatten so viel Energie, waren so lebendig – und doch war nur wenig
Leuchten
da. Erst hatte sie das kaum ertragen können, doch sie hatte sich daran gewöhnt. Sie verstand
sie
allmählich – die Verstoßenen – und hatte begriffen, wie wild sie in ihrem kurzen Leben innerlich brannten. Sie kämpften bis zum bitteren Ende.
Eine Blaskapelle war mitten auf der Straße stehen geblieben und begann laut zu spielen und zu singen. Sie neigte den Kopf, um den Text aufzuschnappen und sah zu, wie die Musiker den Passanten die Mützen hinhielten, sich für die geringen Spenden bedankten und ihnen Fröhliche Weihnachten wünschten.
In the bleak
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