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Der Atem der Welt

Der Atem der Welt

Titel: Der Atem der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Birch
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Gutenachtkuss gegeben und leise die Tür hinter sich geschlossen hatte, pflügte ich im Geiste durch unruhige Wogen in der Dunkelheit. All die Dinge, die ich noch zu erledigen hatte: Ishbel und ihre Mutter aufsuchen. Es hinter mich bringen. Schlaf. Jede Menge. Alle sagten, den bräuchte ich, der Arzt auf dem Schiff, der Arzt in Valparaiso. Was noch? Mich, das heißt meinen Verstand, in die Gegenwart holen, ihn von jenen fernen Abgründen und schäumenden Meeren hierherschaffen, über die Zukunft nachdenken, die beinahe nicht stattgefunden hätte. Und was jetzt? Nach draußen gehen und sich den Blicken stellen. Jeder weiß Bescheid. Nichts wurde geheim gehalten. Diese Menschen der Docks leben schon so lange mit dem Meer und haben so viele Geschichten von Seefahrern gehört, dass nichts sie noch überraschen kann. Sie werden mich nicht schief ansehen. Und doch wird da etwas in ihren Augen sein, eine Ahnung.
    Schließlich schlief ich doch, aber der Schlaf war nicht erholsam, sondern unruhig wie das Meer
. Und ich begann, die tiefsten Tiefen auszuloten, und kam zu keinem Schluss; die Zeit wurde flüssig, widersprüchlich, verschwand in absoluten Momenten der Auflösung ganz und gar, trug mich hinauf in furchterregende Stratosphären wirbelnden Lichts, die höher und ferner waren als jene Tiefen, nur um mich dann aus dieser unglaublichen Höhe in einen wilden Todessturz fallen zu lassen, der mich eigentlich hätte wecken sollen, mich aber stattdessen in eine weitere Woge schleuderte.
     
    Mr Jamrach besuchte mich am nächsten Morgen. Ich hörte seine Stimme, er sprach mit Mama und erwähnte, er habe sich lan
ge mit Dan Rymer unterhalten und Dan wolle niemals mehr zur See fahren. Mama meinte, es sei ja auch allmählich Zeit, dass er zur Ruhe komme, oder? Ein Mann seines Alters mit einer so jungen Familie. »Er möchte jetzt sicher zu Hause bleiben und genießen, was er hat«, sagte sie. Im Hintergrund konnte ich David glucksen hören. Er war so. Er saß da, spielte mit seinen Fingern und gluckste und plapperte mit sich selbst, für Stunden völlig versunken in seiner eigenen, glücklichen Welt.
    Ich vermochte nicht, hinunterzugehen. Wollte es nicht. Niemand konnte mich dazu zwingen. Noch nicht. Im Augenblick war mir noch alles zu viel. Ich würde einfach so lang wie möglich im Bett liegen bleiben. Sogar tagelang, wenn sie mich ließen. Währenddessen würde ich herausfinden, was als Nächstes zu tun war. Schlafen. Das war es. Das Leben würde jetzt einfach sein: Fisch, Suppe, Wärme, Schlaf, Tabak, Bier. Mir drehte sich der Kopf – all die Geräusche, die Gerüche, dieses unaufhörliche Wuchern. Und doch so viele dahingegangen. Weshalb ich, als sie mit der Nachricht hereinkam, Mr Jamrach wolle mich sehen, erklärte, ich fühlte mich zu müde, um aufzustehen. Und er rief, das sei kein Problem, dann eben ein andermal, und ich drehte mich um und versuchte sehr, sehr angestrengt, wieder einzuschlafen, während Licht durchs Fenster fiel.
    Am nächsten Tag sorgte sie dafür, dass ich aufstand, und scheuchte mich aus dem Haus. Zuerst ging ich zum Barbier, dann zu Mr Jamrach. Cobbe arbeitete immer noch im Hof, sah genauso aus wie immer, nur kahler, was ihm etwas Sträflingshaftes verlieh. Er setzte seinen Eimer ab, kam zu mir und umarmte mich schroff, was ich mir in tausend Jahren nicht hätte vorstellen können.
    »Tag, Cobbe«, sagte ich.
    Er knurrte etwas und ging wieder.
    Etwas im Hof war verändert, aber ich kam nicht darauf, was. Jamrachs fettes japanisches Schwein fraß hinten in der Ecke
Kohl. Mr Jamrach sah mich durchs Fenster und kam heraus, um mich zu begrüßen. Er war dicker und breiter und rosiger geworden, seit ich ihn zuletzt gesehen hatte. »Endlich!«, rief er und strahlte von einem Ohr zum anderen, »Jaffy, mein Junge! Geht's besser?«
    »Sehr viel besser«, erwiderte ich, obwohl ich mich ganz und gar nicht so fühlte. Ich hatte keine Ahnung, wieso ich mich nicht mehr in meinem Bett befand, und konnte es kaum erwarten, wieder darin zu liegen.
    Er schlug mir auf die Schulter, von Mann zu Mann. »Diese Sache da, Jaff«, sagte er und sah mir in die Augen, »wirklich entsetzlich.«
    »Ja.«
    »Entsetzlich.«
    Ich nickte.
    »Komm ins Büro.«
    Es gab einen neuen Jungen, der eine Ecke des Raums ganz für sich hatte. Er wühlte in einem Papierstapel und pfiff vergnügt vor sich hin. Nicht so unordentlich wie damals, als Bulter sich noch hinter dem Schreibtisch lümmelte. Charlie, der Tukan, war immer noch gut in

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