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Der Atem der Welt

Der Atem der Welt

Titel: Der Atem der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Birch
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Verfassung.«
    »Wir müssen das Brot zum Trocknen ausbreiten.«
    Wilson Pride war schon dabei und legte es mit unergründlicher Miene geduldig auf einen Fetzen Segeltuch.
    »Habt ihr noch euer Schwein?«
    »Aber sicher. Und ihr?«
    »Ebenso.«
    Deren Schwein hatte inzwischen einen Namen. Napoleon, abgekürzt Pol. Das war John Copper.
    Ich hatte keinen Hunger. Da war zwar ein komisches Gefühl in meinem Magen, doch ich hatte keinen Hunger. Meine Portion hatte mir völlig gereicht, aber mein Mund und mein Hals wurden allmählich wund. Der Kapitän meinte, heute gebe es seit Ewigkeiten die erste friedliche Nacht, da bekämen wir alle eine Extraration Wasser. Es war herrlich, dieses kleine Extrageschenk. Das Wasser war warm und lag wie ein stiller Teich auf meiner Zunge. Ich behielt es dort, solange ich konnte, aber mein Mund saugte es weg.
    »Alles in Ordnung, Skip?«, fragte ich ihn.
    Sein Mund war zu einem spöttischen schiefen Lächeln verzogen. Er nickte einmal knapp. »Könnte nicht besser sein.«
    »Wir kommen hervorragend voran«, sagte der Kapitän emphatisch. Mitten auf seiner Stirn war eine große rote Wunde,
wie ein drittes Auge. »Wir sind genau im Zentrum der Walgründe vor der Küste. Es ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit, Männer. Und bis dahin haben wir gut zu tun.«
    Mit Joe Harpers Werkzeugen reparierten wir unsere Lecks, und wo immer es möglich war, breiteten wir Sachen zum Trocknen aus.
    Die Sonne fiel aus dem Himmel.
    Im Dunkeln driftete ich in den Schlaf und erwachte in Salz. Ich hasste das verdammte Salz. Salz, das aus dem Brot trat. Salzzwieback, der in der heißen Sonne briet. Ausgebreitet wie Waren an einem Stand. O Gott, ich musste an zu Hause denken, an die Marktleute, die mit ihren dicken Schals in der Kälte standen. Watney Street, du lieber Himmel, einen Moment lang dachte ich schon, ich hätte den Namen vergessen. Salz. Ich lecke meine Lippen, schmecke Salz. Lecke meinen Arm, Salz. Überall. Hat uns am Ende die Stimme geraubt, aber noch nicht – nur schäumten wir beim Sprechen immer ein wenig, wenn wir lange genug geduldig Grimassen geschnitten hatten, um ein wenig Spucke zu produzieren. Delfine kamen, tanzten neben unseren Booten her. Wie gern hätte ich mein altes Fernrohr dabeigehabt, aber es war mitsamt meinem übrigen Gepäck untergegangen. Zwei oder drei Tage lang waren sie unsere Reisegefährten, fröhliche, schimmernde Wesen, die tobten und tauchten und Regenbögen machten, aber fangen konnten wir keinen. Jeder versuchte es mal. Sie waren listig, und wir hatten keinen Köder. Ihre augenlosen Gesichter lachten, und nach einer Weile fingen wir auch an zu lachen, Tim und ich. Gerieten in eine seltsame Stimmung und stachelten uns gegenseitig an, wem das beste Delfinlachen gelang. Tims war großartig und klang wie eine gequetschte Ente. Meines war feucht und glucksend und kam ganz hinten aus dem Rachen. Wir trieben es so lange, bis Dan sagte, wir sollten unsere verdammte Klappe halten, sonst würde er uns über Bord werfen, worüber wir noch mehr lachen mussten. Ich hatte
eine Wunde in meiner Ellbogenkuhle, und hinten im Nacken bildete sich eine weitere, und ich versuchte, nicht zu kratzen. Wir lachten so sehr, dass Mr Rainey, der den ganzen Tag lang gebrochen hatte und aussah, als würde er innerlich bluten, sagte: »Dan, schlag ihre Köpfe aneinander«, und das tat der dann auch, aber nicht sehr hart, und danach waren wir ruhig, durften uns aber nicht in die Augen blicken, weil wir sonst wieder losgeprustet hätten. Wir bekamen unser Wasser. Es half nicht besonders. Meine Zunge war ganz zappelig, trocknete sofort wieder aus, sobald ich sie ein bisschen befeuchtete, und kribbelte an der Wurzel und innen an meinen Backen wie Ohrenschmerzen. Bekamen unseren Zwieback. Saugten und saugten daran. Er war durch und durch salzig. Salz brannte wie Feuer auf der Zunge und in meinen Wunden.
    »Oh Gott«, sagte ich. »Warum zum Teufel habe ich mich auf diese Reise begeben?«
    »Du hast dich auf diese Reise begeben«, sagte Tim, »um mir ebenbürtig zu sein. Weil ich gefahren bin, deshalb bist du auch gefahren.«
    Das stimmte. »Ich hab dir nicht den ganzen Ruhm allein gegönnt«, sagte ich.
    »Den ganzen Ruhm!«, krächzte Tim. »Den ganzen Ruhm! Ha ha ha ha ha ha ha ha!«
    »Warum können wir nicht das Schwein essen?«, fragte ich Dan.
    »Weil wir das noch aufsparen.«
    »Bis wann?«
    »Bis zum richtigen Zeitpunkt.«
    »Und wann ist der?«
    »Wenn es so weit ist.«
    Ich schwieg einen

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