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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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in sich spürte – daß seine Abstammung, seine
     Instinkte, sein gesamtes Wesen auf diesen Augenblick ausgerichtet waren, die eindeutige Erkenntnis seiner Berufung.
    Jemand mußte sagen: »Nicht weiter.«
Wenn sich die Kinder nicht mehr auf das Justizsystem verlassen können, um sie zu beschützen, wer kann ihnen dann noch helfen?
Er war ein Krieger, und immer noch herrschte Krieg in diesem Land.
    Aber warum klang das jetzt alles so hölzern?
    Er mußte schlafen; danach würde er klarer sehen. Aber er wollte nicht, die vier Wände des Hotelzimmers zogen ihn nicht an
     – er brauchte Raum, Sonne, Wind und einen Horizont. Er wollte nicht allein in seinem Kopf sein.
    Er war immer ein Mann der Tat gewesen, er konnte nie danebenstehen und zuschauen. So war er, und so würde er bleiben – ein
     Soldat, der sich gegen die Kinderschänder wandte und der die Kraft des Krieges durch seinen Körper kreisen fühlte, und es
     war recht, ganz egal, wie er sich jetzt fühlte. Ganz egal, daß er an diesem Morgen nicht mehr so überzeugt war.
    Sie würden die Kinder dieses Landes in Frieden lassen, die Hunde, dafür würde er sorgen. Irgendwo versteckten sich Khoza und
     Ramphele, sie waren Flüchtlinge und im Moment unauffindbar. Aber irgendwann würden sie wieder auftauchen, sie würden Kontakt
     zu jemand aufnehmen oder etwas anstellen, und er würde ihre Spur aufnehmen und sie jagen, würde sie in die Ecke treiben und
     das Assegai sprechen lassen. |86| Irgendwann. Wenn man die Beute fangen wollte, mußte man Geduld haben.
    Und in der Zwischenzeit hatte er zu tun.
     
    »Ich hatte keine Ahnung von Geld. Es gab einfach nie genug. Mein Vater überwies mir jeden Monat hundert Rand. Einhundert Rand.
     Egal, was ich auch anstellte, das reichte nur zwei Wochen. Vielleicht drei, wenn ich mir keine Zeitschriften kaufte oder weniger
     rauchte oder wenn ich so tat, als hätte ich zu tun, wenn die anderen ins Kino gingen oder essen oder in eine Bar … aber es
     reichte einfach nicht, und ich wollte nicht nach mehr fragen, denn dann würde er wissen wollen, was ich damit tat, und ich
     müßte mir wieder sein Genörgele anhören. Ich erfuhr, daß eine Cateringfirma in Westdene Studentinnen suchte. Sie richteten
     Hochzeiten und Konferenzen aus und zahlten neunzig Rand für einen Samstagabend, wenn man kellnerte oder servierte, und sie
     gaben einem einen Vorschuß für die Klamotten. Man mußte eine schwarze Strumpfhose und einen schwarzen Bleistiftrock mit einer
     weißen Bluse tragen. Ich stellte mich vor, und sie gaben mir einen Job, zwei nette Schwule mittleren Alters, die sich alle
     vierzehn Tage unglaublich stritten und dann gerade rechtzeitig für den nächsten Auftrag wieder versöhnten.
    Die Arbeit war in Ordnung, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hatte, so lange auf den Beinen zu sein, und ich sah großartig
     aus in dem Bleistiftrock, auch wenn es Eigenlob ist. Vor allem aber liebte ich das Geld. Die Freiheit. Die, die … ich weiß
     auch nicht, durch die Mimosa Mall gehen zu können und eine Diesel Jeans zu sehen und mich zu entscheiden, daß ich sie haben
     wollte, und sie mir dann zu kaufen. Dieses Gefühl, immer zu wissen, daß das Portemonnaie nicht leer war – das war cool.
    Anfangs arbeitete ich nur samstags, dann auch freitags und ab und zu mittwochs. Bloß des Geldes wegen. Bloß für die … Macht,
     könnte man sagen.
    Im Oktober richteten wir die Golfparty im Schoemans Park aus. Ich ging nach dem Hauptgang raus, um eine zu rauchen, und Viljoen
     stand mit einer Flasche in der Hand und einem |87| wissenden Ausdruck im Gesicht am achtzehnten Grün. Er fragte mich, ob ich einen Schluck wollte.«
     
    Sie mußten ihm irgend etwas gespritzt haben, denn es war Morgen, als er erwachte, langsam und mühsam, und er lag einfach da,
     das Gesicht der Krankenhausmauer zugewandt. Es dauerte eine Weile, bevor Griessel klar wurde, daß in seinem Arm eine Nadel
     steckte, die mit einem dünnen Schlauch verbunden war. Er zitterte nicht.
    Eine Krankenschwester kam herein und stellte ihm Fragen; seine Stimme war heiser, als er antwortete. Vielleicht hatte er zu
     laut gesprochen, denn sie klang so weit weg. Sie nahm sein Handgelenk und hielt in der anderen Hand eine Uhr, die über ihrer
     Brust befestigt war. Er dachte noch, daß es eigenartig war, sie dort zu tragen. Sie steckte ihm ein Thermometer in den trockenen
     Mund und sprach mit sanfter Stimme. Sie war eine Schwarze mit Narben auf den Wangen, alte Erinnerungen an

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