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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Verde, von Madeira nach Fernando do Noronha, von Fernando Póo zu den Falklandinseln, und während der ganzen Zeit nahm man Tiefensondierungen vor, hielt Temperaturen fest, ließ Baggervorrichtungen und epibenthische Schlitten zum Meeresgrund hinab und von starken Dampfwinden mitsamt ihres tropfenden Inhalts wieder hochziehen.
    Gelegentlich war das, was da nach oben kam, von einer aufregenden Vielfalt: Als man die Schlitten über das sechshundert Faden unter dem Meeresspiegel liegende Schelf vor Argentinien gleiten ließ, gerieten Seegurken und Seeigel in die Maschen der Fangnetze, außerdem Seesterne in allen Farben des Regenbogens, Entenmuscheln, Korallen, Tintenfische, Schnecken, Amphipoden und Isopoden sowie Scharen der sehr primitiven hermaphroditischen Chordatiere, deren korrekte zoologische Bezeichnung Tunicaten , Manteltiere, lautet, die aber eher unter anderen Namen – als Seescheiden oder Feuerwalzen beispielsweise – bekannt sind. Nach einiger Zeit stellte sich aber eine gewisse Routine ein, und vor allem das Erforschen der tiefen Regionen wurde zu einer recht eintönigen Beschäftigung, sogar für die Wissenschaftler, die bald das Eintreffen einer weiteren Ladung widerwärtig aussehenden Schlicks an Deck zu fürchten begannen, vor allem wenn dieser kurz vor der Essenszeit oben ankam. Einundsechzig Matrosen desertierten vor dem Ende der Reise, und eine Handvoll starb – zwei drehten durch, zwei ertranken, einer wurde vergiftet, ein anderer musste, kurz bevor er tot umfiel, noch die Schmach über sich ergehen lassen, dass sein Gesicht sich feuerrot färbte, und ein unglücklicher Mann namens Stokes wurde von einem durch die Luft sausenden Takelblock am Kopf getroffen und musste auf hoher See beigesetzt werden. Natürlich fühlten sich seine Kameraden dazu veranlasst, Kapitän Nares zu fragen, ob sein Leichnam für alle Ewigkeit in der Zone des dickflüssigen Wassers herumtreiben würde.
    Weihnachten beging man mit Tanz, mit Whisky und Plumpudding; Lesungen, Rezitationen und Fiedelwettbewerbe schlossen sich an, und stets war ein immer wieder mit Punsch aufgefülltes Bowlenglas in Reichweite. Bei Geburtstagsfeiern der Wissenschaftler und derjenigen Besatzungsmitglieder, die in blauen Uniformen steckten, ging es ziemlich ausgelassen und laut zu. In England war es inzwischen Sitte geworden, einen afternoon tea einzunehmen, und auch an Bord wurde er jeden Tag serviert, zum einen, damit die zermürbende Routine des Sammelns von Bodenproben unterbrochen wurde, zum anderen, damit die an Land üblichen Umgangsformen nicht in Vergessenheit gerieten – auch wenn der Darjeeling oft in die Tassen aus erlesenem Porzellan gegossen werden musste, während ein Hurrikan tobte oder man in einer tropischen Meeresregion unter einer sengenden Sonne in einer Flaute festsaß. Irgendjemand hatte ein Melodeon, ein harmoniumähnliches Instrument, mit an Bord gebracht, dessen Klänge oft in ruhigen Nächten vom Zwischendeck aufstiegen, was einigen der heimwehkranken Männer Tränen in die Augen trieb.
    Immer wenn die Challenger einen fremden Hafen anlief, führte man neugierige Besucher, vor allem Damen, an Bord herum. Ihre Offiziere vergaßen nie, dass sie auch Botschafter sein sollten, und die Expedition, auf der sie sich befanden, wurde immer als Beweis für britische Tatkraft und Entschiedenheit herausgestellt. Die Damen wollten aber auch tanzen und sich anderweitig amüsieren, daher waren die Fiedler der Challenger und der Melodeonspieler immer stark beschäftigt, solange sie in einem Hafen lag.
    Man widmete sich an Bord auch dem aristokratischen Sport der Jagd. Einige der eher der Mittelschicht angehörenden Wissenschaftler hatten ihre Flinten mitgenommen und stellten den gewöhnlicheren Seevögeln voller Leidenschaft nach. Die meist abergläubischen Seeleute waren anfangs entsetzt, als diese »Sportsleute« im Gebiet der »Roaring Forties« im Südatlantik auch Wanderalbatrosse vom Himmel holten, denn diese Vögel galten bei ihnen seit alters her als tabu. Doch wurde das Schiff von keinem größeren Unheil heimgesucht, es kam nur zu trivialen Unfällen, und die Zahl der Todesfälle lag innerhalb der statistischen Grenzwerte für eine so lange Reise.
    Das Schiff war insgesamt dreieinhalb Jahre unterwegs – während dieser Zeit kollidierte man einmal leicht mit einem Eisberg, erhielt zwei Galapagos-Schildkröten zum Geschenk, die den ganzen Ananasvorrat verschlangen, machte am Äquator vor der brasilianischen Küste am

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