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Der Attentaeter von Brooklyn

Der Attentaeter von Brooklyn

Titel: Der Attentaeter von Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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Jahre alt war, und wie er ihr beigebracht hatte, dem Tier mit einer Puppenflasche Milch einzuflößen. Sein energisches Grinsen auf der Schwelle von Omar Jussufs Haus, während hinter ihm in der Dehaischastraße ein Taxi bereitstand und er darauf wartete, dass Ala mit seiner Tasche käme, um nach Amerika aufzubrechen. Waren all diese guten Zeiten reine Illusionen gewesen? War Nisars Tod wirklich die Tragödie, wie sein Onkel behauptete?
    »Wann haben Sie zuletzt mit ihm gesprochen, Abu Chaled?«, fragte Omar Jussuf.
    »Ungefähr vor einer Woche. Er war sehr glücklich. Ach, was für ein Elend! Er sagte, dass er mir bald gute Nachrichten übermitteln würde.«
    Omar Jussuf dachte an den Liebesbrief. »Was für gute Nachrichten denn?«
    »Er tat sehr geheimnisvoll. Ich hoffte, dass er vielleicht wieder nach Haus kommen und mit uns hier in Bethlehem leben wollte. Vielleicht hatte er auch eine Frau gefunden. Er erwähnte ein Mädchen, aber nur ganz flüchtig.«
    »Lieber Abu Chaled, ich werde Ihre Telefonnummer der Polizei geben, damit sie Kontakt zu Ihnen aufnehmen kann – wegen des Jungen, meine ich. Soll er nach Bethlehem überführt werden?«
    »Die Leiche? Ich weiß nicht – ich muss darüber nachdenken … Danke, dass Sie mir diese traurige Nachricht überbracht haben, Abu Ramis.«
    »Mögen seine verlorenen Jahre Ihrem Leben gutgeschrieben werden«, sagte Omar Jussuf.
    »Möge Allah Sie segnen.«
    Omar Jussuf legte auf. Er stellte seinen kleinen Koffer aufs Bett und öffnete ihn. Sein hellblauer Pyjama lag sorgfältig gefaltet auf den anderen Sachen. Er nahm sie heraus und legte sie auf die Tagesdecke. Aus dem Koffer stieg der Duft des Lavendelparfüms seiner Frau auf, und er schloss für einen Moment die Augen. Er legte die Hand auf eine 15 Zentimeter lange Schachtel, die Marjam ihm gegeben hatte. Es war ein Geschenk für Ala, ein teurer Kugelschreiber, ein Montblanc , wie er selbst einen besaß. Er hatte zu Marjam gesagt, das sei ein lächerliches Geschenk für einen Computerprogrammierer, aber sie hatte ihrem Jungen etwas Besonderes schenken wollen. Er schob sich die Schachtel in die Jackentasche – er würde sie seinem Sohn geben, wenn er ihn das nächste Mal sehen würde. Was fühlst du nun, mein kleiner Ala?, dachte er. Er hockte neben dem Koffer auf seinem Bett und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Er weinte heftig, bis er angekleidet einschlief.

Kapitel
8
    Ein scharfes Pochen wie die Salve aus einem schweren Maschinengewehr riss Omar Jussuf aus dem Schlaf. Sein Herz raste, die Brille schnitt ihm ins Nasenbein. Er richtete sie und sah sich blinzelnd um. Seine Panik hielt noch einige Sekunden an, bis er begriff, dass er in seinem Hotelzimmer auf dem Bett lag. Sein Arm lag auf dem geöffneten Koffer und zog ihn zu sich heran, als könne der tröstliche Lavendelduft ihn für die Abwesenheit seiner Frau entschädigen.
    Er raffte sich auf und rollte stöhnend mit den Schultern. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte bereits 7:00. Wieder begann das Hämmern. Er hörte ein Husten auf dem Flur und begriff, dass jemand von draußen klopfte. Er stopfte sich das Hemd in die Hose und öffnete die Tür.
    »Lassen sich die Fenster in deinem Zimmer öffnen?« Chamis Sejdan stapfte an Omar Jussuf vorbei.
    Der Lehrer blinzelte seinen alten Freund an, den Polizeichef von Bethlehem. Er fühlte sich matt und benommen. »Was machst du denn hier?«
    Chamis Sejdan griff hinter die Vorhänge und tastete nach einem Griff auf dem Fensterrahmen. »Ich hab dir doch schon zigmal gesagt, dass ich komme. Es hat keinen Sinn, dir etwas zu erklären«, sagte er. »Du interessierst dich nur für osmanische Geschichte und die mittelalterliche Lyrik Andalusiens. Der Besuch unseres Präsidenten? Schon vergessen? Seine Rede vor der UN und Gespräche mit den Amerikanern? Ich berate ihn in puncto Sicherheit.«
    Omar Jussuf schloss die Tür und nahm einen Schluck Wasser aus der halb leeren Flasche auf dem Bett. »Ich bin etwas verschlafen.«
    »Wovon redest du? Du bist doch schon angezogen.« Das Fenster klappte auf, und eine starke Böe eisiger Luft durchschnitt die schwere Wärme des Zimmers. Die Falten um Chamis Sejdans blaue Augen vertieften sich, und die Enden seines nikotingefleckten Schnurrbarts gingen in die Höhe. »Allah sei gepriesen. Meine Fenster lassen sich nicht öffnen. Ich habe heute Morgen in meinem Zimmer schon zweimal den Rauchalarm ausgelöst.« Er zog eine Rothmans hervor und steckte sie sich erleichtert an.
    Omar Jussuf

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