Der Aufgang Des Abendlandes
Manifestierung, Geistessenz und der
Dreistrahlung jedes erhitzten Körpers: Wärme, Licht und nur chemisch faßbare Substanz.
Schopenhauer meint, die Begebenheiten in Galiläa würden die Urreligion nicht umstoßen, doch gerade der
Buddhismus, auf den er sich spitzt, war eine neue Begebenheit, die Jesulehre dagegen mit der wahren Urzeit ursächlich
verknüpft, ihre Symbole (Taufe, Kreuz, Fisch) uralt. Die erstaunliche Enthüllung, daß Jesus sein Wissen und
Wollen aus der Urlehre übernahm, es nur mit genialer Eigenart durchdrang, versparen wir für später. Daß
er, genau genommen, nichts Neues offenbarte, mag sein Ansehen bei Toren schädigen, für uns erhebt es ihn erst
recht, daß er einfach Verkünder der Urweisheit wurde, die nach ihm genannte Religion also den Vorrang
höchster Würde über alle bestehenden Kulte behauptet. Von Semitischem kann gar keine Rede sein, nur insofern
durfte Disraeli das Christentum als semitisch-jüdisch mit Beschlag belegen, als die Kirche durch die Judenchristen die
Umfälschung vollbrachte. Die Juden wußten sehr gut, warum sie ihn tödlich haßten, denn ob er selber
semitischen Ursprungs oder nicht, seine Lehre hatte nichts mit der mosaischen gemein, wie das offizielle Judentum sie
auffaßte. Ein besonderer verdächtiger Umstand verdichtet einerseits den Schleier und lüftet ihn andererseits.
Das älteste Evangelium Matthäi war hebräisch geschrieben, nicht aramäisch, der erste griechische
Übersetzer Sankt Hieronymus verstand sicher nicht aramäisch. Nun wohl, dieser, der es das echte Evangelium der
Nazarener und Eboniten nennt, erzählt Sonderbares. Es sei versiegelt und nur für Umlauf in besonders
religionsfesten Kreisen bestimmt gewesen (d. h. für Geheimbund), die es nie zum Abschreiben gaben und nur mündlich
verbreiteten in verschiedener Lesart. Ein Manichäer habe es trotzdem veröffentlicht, es biete aber »mehr
Stoff zur Zerstörung als zur Erbauung«. Ihm sei es unverständlich, dabei erklärt er aber als echter
Kirchenvater jede andere Auslegung als die seine für häretisch! Offenbar ließ er vieles weg als
»Zerstörung« des neuen Kirchenmythos, einiges mag er interpoliert, anderes falsch übersetzt haben,
immerhin blieb noch so viel stehen, daß wir offenbare Lücken ausfüllen und ahnen, warum es heißt:
»Als die Jünger diese Rede hörten, entsetzten sie sich«, und »er gebot ihnen, daß sie es
niemand sagen sollten«, die Schweigepflicht der Adepten. Vier Jahrhunderte beharrten die Urchristen dabei, daß er
»vom Samen eines Menschen« war, diesen Kampf um ein Urprinzip nahmen besonders die Arianer auf, weil ein
buchstäblicher Gottsohn der heftigen Urwahrheit ins Gesicht schlug. Grelles Licht fällt auf vieles, wenn die
Entdeckung stimmt, daß der mit griechischen Buchstaben im Text angeführte hebräische Ausruf »mein Gott,
warum verließest du mich« vom Übersetzer mit Vers 1, Psalm 22, verwechselt sei und vielmehr den Sinn habe:
»Mein Gott, wie verklärst du mich!«, gewöhnlicher Ausruf des zum Adepten erhöhten Neophiten im
Geheimritus nach Überstehen der 12 Prüfungen. Der englische Entdecker (»Quelle der Masse«) spricht hier
von schrecklichem Schlag gegen die Heiligkeit des Evangeliums, die Blavatzky von bewußter Fälschung. Das scheint
unsicher, denn Hieronymus' Entstellung mag um so unabsichtlicher gewesen sein, als seine schwächliche Lesart geradezu
einer Gottähnlichkeit Christi widerspricht. Zwar fällt uns ein, daß man vielleicht aus dogmatischen
Gründen den Psalmanklang wählte, als hätten wieder mal die alten Juden schon die Kreuzigung prophezeit! Wenn
also unsere Theologen sich wütend gegen die Neufindung sträuben, so hängt dies mit dem eingewurzelten Unfug
zusammen, das Neue mit dem Alten Testament zu verkoppeln, ein unsagbar schädlicher Kniff der Judenchristen. Auf jedes
Gemüt wirkte allzeit jener Aufschrei der Todesangst peinlich verwirrend, Kanzelredensarten müssen das
Widerwärtige abschwächen, da so kein Gottessohn fühlen würde. Dann wären Sokrates, Bruno, auch viele
christliche Märtyrer würdiger gestorben. Wenn wir es also einerseits psychologisch als Beweis für Augen- und
Ohrenzeugenschaft des Evangelisten auffassen müßten – denn so etwas erfindet man nicht von seinem Heiland
–, so stimmt es anderseits nicht zum Heldenbilde, und wo bliebe das freiwillige Sühneopfer? Ein indischer Guru
würde achselzucken, daß ein Mahatma überhaupt Mittel hat, sich irdischem
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