Der Aufgang Des Abendlandes
dachte, so
hört dies »drüben« auf, wo man weder Geld noch Kaufmannsmethoden kennt. Daraus folgert aber weder,
daß Geist und Körper zwei Substanzen (Descartes), noch daß sie eine seien noch gar, daß es
überhaupt nur eine Substanz gebe, ebensowenig wie Einmischung Gottes als drittes Agens in Verbindung von Geist und
Körper. Für den aufmerksamen Beobachter ergibt sich ein anderer Monismus: Allerdings sind Geist und Materie eine
Substanz, doch in umgekehrtem Sinn als der Materialismus vorgibt, Kraft nicht Eigenschaft des Stoffs, sondern Stoff
Eigenschaft der Kraft, welche einfache Wahrheit uns nur der Materieschein verhüllt. Psychekraft aber bedarf keiner
Gotteinmischung für ihre Aufgabe, Spinozas Gott wird schon dadurch unklar, daß er ihn nur als letzten Mittelpunkt
der Allsubstanz auffaßt. Ein Mittelpunkt als letzter zureichender Grund für unendliche Kreisringe unterscheidet
sich aber deutlich von ihnen. Wenn der Apostel sagt, in ihm leben und weben und sind wir, so trennt er dabei schroff Welt und
Gott, weder diese Schroffheit noch pantheistische Verblasenheit kann transzendentaler Monismus dulden. Gott ist keine
Eigenschaft der Welt, sondern die Welt eine Eigenschaft Gottes, so daß man sich Gott ohne die Welt, die Welt nicht ohne
ersten Beweger denken kann. Der Künstler ist nicht denkbar ohne Werke, doch er und Werke sind nicht das nämliche,
man darf nicht eine Substanz Gott zulassen, sondern muß, ohne in wirklichen Dualismus zu verfallen, die letzte Frage
notwendig subtiler fassen.
Spinozas ungeheurer Einfluß kann eigentlich nur noch historisch gewürdigt werden, denn was er mit großem
Aufwand talmudischer Disziplin beweisen will, ist nur Uraltes, das All-Eins, wie jeder vorchristliche Denker es lehrte. Sein
Fortschritt über Descartes besteht im Sum Cogitans statt Cogito, Sein und Denken sind ineinander, nicht auseinander,
Ausdehnung und Denken Äußerungen des Selben, alle Weltdinge zugleich Mittel und Selbstzweck. Eine letzte Ursache
sei selbstverständlich, doch damit nicht bewiesen, daß die Welt Wirkung dieser Ursache sei; Gott stelle sich so
unmittelbar als eins dar wie Blitz und Knall der Explosion; verschlossen ruhende Kraft wäre unvollkommen, Gott aber sei
vollkommen, setze sich sofort in Schaffen um, Schöpferwille sei Notwendigkeit? Ganz und gar unsere Meinung, doch nicht
mit der Deutung, daß darum Schöpferkraft und Stofform genau das gleiche sei. Glaubt Spinoza nicht an
hebräische Schöpfungsmythe »im Anfang war die Welt wüste und leer«? Naturwissenschaft
schließt ja gleichfalls auf ein Chaos von Gaswirbeln, das doch auch eine Welt und gewiß nicht identisch mit
ordnender Gottsubstanz war. So entdeckt man gleich zu Beginn als notwendig Priorität der Gottpsyche »im Anfang war
der Logos«, aus welcher sich Stoffveranschaulichung zwar sofort emporringt, aber nicht schon als wirkliche
Weltgestaltung.
Wie begegnet Spinoza dem Einwurf, daß Gott das Böse schuf und Gutes unterdrücke, daher die Wesen nicht
liebe und von ihnen keine freie Gegenliebe verdiene? Er umgeht die Erage, predigt Liebe zu Gott als Erlösung und
Glückseligkeit auch ohne Gegenliebe, unterscheidet sich also vom Theologen nur darin, daß letzterer Gott
»über alles lieben« will, weil Gott »uns so geliebet« habe. Daß er den Menschenbegriff
Liebe nicht als notwendige Eigenschaft Gottes auffaßt, erfreut uns, doch gleichzeitig verlangt er vom Menschen eine
unerwiderte unglückliche Liebe, die menschlicher Selbstsucht hohnspricht. Denn wenn ein idealistisch fühlender
Materialist begeisterte Naturanbetung verlangt, was die meisten Materialisten keineswegs mitmachen und für blinde
herzlose Mechanik keine Verehrung fordern, so ist ohnehin Bewunderung nicht mit Liebe zu verwechseln. Man gibt gern zu,
daß das Böse notwendig sein muß, doch Notwendigkeit dafür gibt nur das Karmagesetz und Spinozas
Annahme, daß alles Böse an sich selbst zugrunde gehe, scheint im Sichtbaren falsch, jedenfalls leiden die Guten
nicht minder, völlige Regellosigkeit im Los der Guten und Bösen zeigt an, daß viel verwickeitere Gesetze
obwalten. Vom Menschen verlangen, daß er sichtbare Ungerechtigkeit verehren solle, heißt jüdische
Priestersatzung blinder Unterwürfigkeit vor Jahve ins Unphilosophische eines Liebeswahns übersetzen ohne
christliche Begründung dafür. Denn wenn er hinterrücks nun doch wieder von Gottes Liebe munkelt, so
schließt sich Fürsorge der Gottsubstanz für
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