Der Aufgang Des Abendlandes
bestritt die Objektivität des Lichts,
offenbar wirkt nur Bewegung, die in uns Lichtempfindung hervorruft, nicht weil es Licht gibt, sondern unsere Nervensubstanz
es erfordert. Überzeugung von Einheit der Psyche mit unsichtbarer Wirklichkeit verhilft zur Logik, daß unsere
Vorstellung sich irgendwie mit Wirklichem berührt. Raumempfindung ist subjektiv, doch der unantastbare Begriff
Unendlichkeit bedingt schon Räumliches, wie Ewigkeit Zeitliches. Helmholz' Bemühung, Lichtwellen für identisch
mit Nervenschwingung zu halten, wäre dem Transzendentalmonisten sympathisch, doch völlig ungelöst bleibt das
Abfinden mit der Kausalwirkung, wie sich Schwingung in Empfindung umsetzt und gleichzeitig in Wahrnehmung. Bei so
blitzschnellem Sehprozeß fallen »Übung und Gewohnheit« ganz fort. Gehirnpsychologie huldigt der jeder
Physik spottenden Annahme, daß Gehirn- und Weltraum identisch sei, wie denn die meisten Voraussetzungen der
Wissenschaft zum subjektiven Idealismus gehören, während sie das Gegenteil wollen.
Die Kantische »Vernunft« ist Tautologie, Einsetzen des Teilbegriffs als Ganzes, statt einfach allgemein
»Psyche« zu sagen. Als ob Klauen und Mähne das Apriorische des Löwen wären! nein, der ganze
Löwe der Lebenspsyche springt vollgerüstet ins Leben. »Vernunft« was ist das? ihr eine subjektive und
sinnfällige Grenze zu ziehen scheint müßige Verwechslungsspielerei. Dies richtet sich gegen jede
übersinnliche Offenbarung sowohl der Religion als der Wissenschaft, denn die Physik wie jede andere Fakultät kann
bestimmter abstrakter Voraussetzungen (Atomistik, Gravitation usw.) nicht entbehren, über der Höheren Mathematik
prangt als Motto Descartes' kostbare Kühnheit: »Ich nehme an, daß alles, wovon ich ausgehe, schon bewiesen
ist.« Jede »Logik« beruht auf Vernunftschlüssen aus Hypothesen, also rein übersinnlichen
Faktoren. Mills berühmtes Beispiel, die Sterblichkeit des Prinzen Albert folgere aus dem Sterben so vieler anderer
Leute, stützt eine abstrakte Behauptung auf eine ihr verwandt scheinende Tatsache, wie dies meist der Naturwissenschaft
beliebt, falls sie nicht wie die Molekulartheorie es vorzieht, ohne jeden Tatsachenbeweis ein Weltbild zu erdichten. Mills
obige Logik beweist natürlich nicht das Geringste für die Sterblichkeit, denn wie Byron sagt: »Was wißt
Ihr? nur daß Ihr sterblich seid, und hier sogar könnt ihr falsch prophezeien, vielleicht kommt einst, ein Quell
der Ewigkeit, die Zeit, wo nichts mehr alt noch jung wird sein.« Daß wir das Ding-an-sich nie erfassen
können, ist auch nur so eine Behauptung Kants aus der Voraussetzung, daß unsere Psyche nie ihr gewöhnliches
Durchschnittsbewußtsein übersteigen könnte. Eine Transzendentalphilosophie, die von Myers' subliminalem
Selbst und Hartmanns Unbewußtem sich nie träumen ließ, gleicht einer Naturwissenschaft, die noch vor 30
Jahren die Hypnose leugnete, wie sie heut die Telepathie leugnet. Um es kurz zu sagen: Es gibt weder eine »reine«
noch eine »praktische Vernunft«, sondern nur praktischen Verstand, dem auch alle politisch abgestimmten
Religionen und die Ziele der Naturwissenschaft entspringen, oder »was höher ist als alle Vernunft,« als
alles rationalistische Vernünfteln, nämlich inspirierte Intuition der Erleuchtung, wie sie Bergson heut analysiert
und zu der sich der Greis Kant ahnungsvoll in "eine Welt reingeistiger Naturen" durchrang. Zwischen diesem Greisenseher und
dem von der Wissenschaft hochgeschätzten Professor der Antimetaphysik besteht keine innere Brücke, weshalb jeder
Versuch, wie Chamberlains geistvoll kombiniertem Kantbuch »reine« und »praktische Vernunft« als
einheitliches System darzustellen, verwerflich und hier nur der Rationalismus ehrlich scheint, der Kants erneutes
Einschmuggeln vorher hinausgeworfener Postulate als Altersschwäche oder schielende Feigheit belächelt. Es war aber
nichts dergleichen, sondern einfach Umkehr, allmähliches Verleugnen seines »titanischen«
Verständigseins. Daß Kant von Natur zur Mystikerkenntnis neigte, zeigt seine grimmige Verachtung der
Wissenschafter wie der Theologen schon in seiner klassischen Periode, wo er nicht behutsam vorging, ohne die
Zurückhaltung seines Dehrmeisters Hume, der in einem wesentlichsten Punkt auf einmal alle Konsequenzen seiner Skepsis
aufhob. Er glich hierin Demokrit, dessen Atomistik man fälschlich materialistisch auffaßt (er meinte nur beseelte
Atome) und der, als
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