Der Aufgang Des Abendlandes
Naturforschungen, die aber
wahrlich den Alten nicht fremd waren. Sogar auf Aviatik verweist die Dädalussage. Selbst Denkerevolution fehlt
völlig, man hält Kants Vernunftkritik für Original, dem Lockes »Essay on human Understanding« die
solide Grundlage bot, doch Locke selber tönte im Grunde nur Lehren der Stoiker seit Zeno nach. Wenn heute Drews
»Sternenhimmel und Religion« das Christentum als Astralmythos auslegt, so ist es unbewußt nur satter Erbe
uralter Weisheit.
Schon unter Heinrich IV. soll deutscher Kultureinfluß überwogen haben, jedenfalls ging die Geistwissenschaft
griechischer Mystiker zunächst auf die Deutschen über. Von der rationalistischen Anlage englischen Denkens
abgesehen, konnte auch skandinavische Mystik sich nicht von kirchlichen Vorstellungen freimachen. Sahlinger 1901 suchte
Swedenborg in Beziehung zu Herder und Goethes Morphologie zu stellen, das scheint ebenso willkürlich wie Steiners
Anknüpfung an Haeckel, die er damit motiviert, Haeckel arbeite mit lebendigen Anschauungen, aber toten Begriffen. Von
seiner Naturerkenntnis hätten »eigentlich nur die Bilder, die er hinmalte, Bedeutung«, was bleibt dann aber
philosophisch von Haeckel übrig! Ebensowenig haben Herder und Hammann mit Swedenborg gemein, Hammann sieht alles als
»Natur«, die aber den Samen des Ideellen in sich trage, Herder sagt ausdrücklich »kein Wort ist
vieldeutiger als Natur«, sein Lebensbegriff geht auf Verarbeitung der Persönlichkeit aus, welche er weder wie
Winkelmann bloß im Kunstsinn noch wie andere im Philosophischen, sondern ganz allgemein gestalten will. In solcher
Hinsicht begrüßen wir auch Hefeles waghalsigen Versuch (österreichische Rundschau 1923), Schiller als
»Denker« wieder lebendig zu machen, sobald man sich nur an die ringende Persönlichkeit hält. Diese
behält ihr historisches Recht, so wenig sonst Schiller uns heute zu sagen hat.
Die englischerseits aufgetauchte These einer Auto-Central-Control des Hirnlebens kann nur Sinn haben, sobald man die
Folgeerscheinungen des Hirnapparats als unwesentlich ausschaltet, denn mit ihnen verhält es sich nicht anders wie mit
dem Blutkreislauf. Diesen betrachtete die Medizinphysik als Folge mechanischer Wirkung der Herzpumpe, wie man Atmen als Folge
des Lungenblasebalgs, Stoffwechsel als Folge der Reibmaschine Magen, Ausscheidungen als Folge der Filtriermaschine Niere
einstellte, ohne die vitalen Einflüsse organischer Bestimmung zu bedenken. Wir atmen nicht, weil wir eine Lunge haben,
sondern die Wesen bilden sich Lunge, Kiemen oder Atmungsorgane der Pflanze, weil sie atmen wollen und müssen. Kreislauf
der Säfte im Organismus ist das wahre Urphänomen, ohne welches keine Lebenserhaltung möglich wäre. Denn
die gebrechlichen Außenwände der Zelle befinden sich in fortwährendem Absterben, »Leben ist
verhindertes Sterben« (Kolisko), die Säfteströmung erfolgt überall bis zu den untersten Gebilden ohne
wirklichen Motor. Daß der Kreislauf sich bei höheren Tieren eine Herzpumpe schuf, ist nur konstruktive
Nebenerscheinung, Blutkreislauf entsteht aus der Polarität des Lebens, nicht durch mechanischen Druck, sein Pulsieren
und Zirkulieren ist identisch mit den Bildungen des Nervensystems. Zwischen Sinnesnerven und Stoffwechselsystem vermittelt im
Embryowachstum das Blut, das sich als selbständige Strömung der Venen offenbart (Hesebroeks Forschung 1914) und im
ganzen Gefäßgewebe wirkt. Der Rhythmus entsteht durch Mitwirkung sämtlicher Organe, nicht bloß der
Gefäße, denn jedes Bedürfnis eines Organs saugt das Blut an sich. Das lehrt die einfachste Beobachtung z. B.
spontanen Errötens und Erbleichens. Drückt man dabei auf einen hydrodynamischen Knopf der Herzpumpe? Nein, Scham,
Zorn, Angst erregen einen Aufruhr im Blute, der vom Gefäßkomplex der Nerven nach oben wallt. Dies ist also eine
sog. Hirnvorstellung, die an sich nicht aus irgendwelchem Herzvorgang entsteht, aber mit Blut- und Nervenbewegung eins ist.
Das Hirn selber aber wird vom Blut erzeugt und hört zu funktionieren auf, sobald die Blutspeisung aufhört.
»Blut ist ein ganz besonderer Saft«, der Satz hat einen tieferen Sinn als er gemeint war: Blut ist nichts einzeln
Besonderes, sondern die eine Hauptsache, das Lebensprinzip selber. Nicht nur Bewußtsein und Stoffwechsel, sondern jedes
seelische Erleben ist Blut, jede Vorstellung wird nur durch Blut dem Hirn vermittelt. Schon Okens
»Naturphilosophie« wußte, daß der
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