Der Aufgang Des Abendlandes
Steiner stimmt lauwarm mit Häckel
überein: Ihm sei ewige Grabesruh erwünschter als die Fortdauer, wie Religionen sie predigen. Doch auf unsere
Wünsche kommt es nicht an und wer heißt ihn denn die denkerisch längst zum Tode verurteilte Schulzefortdauer
für die wahre Unsterblichkeit unterschieben! Ein unverändert sensibles Wesen, das im Himmel die Harfe schlägt
oder eine Huri umarmt, entehrt nicht den Geist – was ist Geist von Schulze! – sondern den Seelen- und
Unsterblichkeitsbegriff. Daß aber jenseits des Erdbewußtseins sowohl Sensibilität als Ich eine
gründliche Abwandlung erfahren, versteht sich von selber, also hat dort nur suprasensible Seele Daseinsberechtigung.
Über relative Bedenken gegen völlige Ichaustreibung setzen wir uns mit dem wahren Denker Buddha auseinander, nicht
mit gedankenlosen »Halbvernünftlern« der »Nebelschaffenden« Gelehrtengilde, wie Kant so gewisse
Sorten kennzeichnet. Wie unvernünftig wollen Vernunftschlüsse das letzte Wort sprechen! Außerhalb der Materie
kann die Psyche nicht für Sensibles empfänglich sein, doch inneres Erleben der Mystiker beweist ja Möglichkeit
suprasensibler Seelenstände. Man kann sich Polemik über Ichausstreichung sparen, da Schulze durch die von Buddha
hochgehaltene Wiedergeburt wieder zur Hintertür hineinspaziert und der letzte Kern des Persönlichen als nicht
vernichtbar sich sogar in Nirwana aufrechthält, denn dies sei weder Sein noch Nichtsein: Dann besteht eben noch ein
Supranaturelles darin fort, Quintessenz der Seinpersönlichkeit. Die Scheu, sich aufrichtig mit buddhistischen
Denkkreisen einzulassen, läßt auch Eucken in seinen Gemeinplätzen »Sinn und Wert des Lebens« mit
keiner Silbe den Buddhismus streifen, als habe der Europäer sich mit wahrscheinlich »angeborener Idee« eines
Nur-Christentums zu begnügen! Auch Prophet Steiner scheint Buddhas unlautern Wettbewerb zu ignorieren, um seine davon
unbefleckte Eigenart leuchten zu lassen. Sein betriebsames Goetheaneum strahlte so wenig Klarheit aus, daß Buddha
vielleicht zu seiner üblichen unhöflichen Anrede verführt würde: »törichter Mensch!«
Wenn der Deutsche nur »Goethe« hört, dann wird sich wohl was dabei denken lassen, es wird ihm so Goethereif
zumute. Indessen glaubte Goethe erst an Spinoza, dann an Kant, zuletzt an Bruno, drei schroffe Gegensätze umgekehrter
Entwicklung, denn Bruno ist der Stammvater, aus dem Spinoza Talmudisch schöpfte, Kant aus Spinoza, um später
unwissentlich immer näher an Bruno heranzurücken. Jedenfalls verfocht aber Goethe robuste Unsterblichkeit der
Persönlichkeit, was er als verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Natur auffaßte. Seine majestätische Ruhe
wohnte nicht im Goetheaneum, plagte sich nicht mit Kasuistik, würde aber Steiners Ego nur als Ichseele anderer
Prägung durchschaut und sich ergötzt haben, wie so was aus einer seelenlosen Natur aufgetaucht sein solle à
la Münchhausen, der sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf zieht.
Steinerscher und christlicher Mythos liefern beide Gott der eigenen Selbstvergötterung aus. Schon Rückert
stammelt: »Das Unbedingte hat sich selbst hervorgebracht, bedingter Geist, in dir, indem du's hast gedacht«,
solch unbedingte Überhebung! quid novi ex Africa, nichts Neues vor Paris und bei Steiner, sein beweglich
veränderlicher »Geist« kommt als Bewußtwerden des Alls nicht in Betracht, denn der nach Spannen
traumhafter Täuschung siegende Allgedanke bleibt unbewegt anschauend dort, »wohin keine Veränderung
dringt« (Eckart) und der Kämpfer »der Reihe nach vereinigt wird« mit ätherischen Formen, bis er,
nachdem »Verdienst guter Werke erschöpft«, zum Neugeburttor heimkehrt (Sankajaryas Kategorien über
Verknüpfung von Körper mit ätherischem Leib). Freilich trägt Wundts »Weben und Walten eines fremden
Geistes« in »erstaunliche Leistungen besonders auf dichterischem Gebiet« falschen Dualismus hinein; geniale
Eingebungen verschwistern sich Ätherikern eben nur so wie sich beim Tischrücken Fingerspitzen berühren als
leichtverschlungene Knoten, der geheime Bundesgenosse steigt aus Eigenem auf, doch nicht dem »Geist«, sondern dem
Unbewußten.
Was Menschen unsinnig scheint, kann das All als Tatsachen in sich bergen. Die Stellung des Agnostikers ziemt sich auch vor
Erscheinungen des Spiritismus, die auch Steiner leichtfertig mit ein paar Federstrichen abtut. Man bekommt ein buntes
Menü widersprechender Grundstimmungen zur
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