Der Aufgang Des Abendlandes
wir nur als hochgradige Telepathie verstehen konnten, versicherte
uns, daß sie sich besonders »hell und leicht« bei ihrem Hellgesicht fühle. Bei vielen, besonders
automatischen Verrichtungen, wie Geisterschrift und Tischrücken, findet keine Einengung des Bewußtseins statt,
auch sind viele starke Medien nicht hypnotisierbar, die berühmten Medien Mrs. Piper und Mr. Home versetzen sich selber
in Tranceschlaf, Home und Slade operierten oft auch im Wachzustand, Eusapia Paladino erzeugte Phänomene auch nach
Verfliegen des Trance. Schrenk-Notzing bezeugt, daß bei erstaunlichen kinetischen Leistungen keinerlei Trance vorlag.
Somit wird die Bewußtseinsschwelle nicht eigentlich verlegt, es drängen sich nur telepathische Dinge zu ihr empor,
die anscheinend diese Schwelle überschreiten, ohne das Ich anzutasten. So sind psychische Vorgänge zwar nicht
physikalische, doch nach unserm Begriffsvermögen analoge, z. B. die dem Ichverstand faßbaren Telefunken sicher
Erscheinungsform des Reichenbachschen Ods, durch das in genau gleicher Weise Gedankenfernwirkung hergestellt wird. Weil
Telefunken sich an die sichtbare Materie wenden, nimmt der Mensch sie willig an, obschon dieser Prozeß genau so
wunderbar oder natürlich wie die psychishe Fernwirkung, doch indem er letztere ungläubig bezweifelt, bestärkt
er die davon Überzeugten in der andern Einseitigkeit, dies für supranaturell zu halten. Alles, was sinnliche
Wahrnehmung hervorruft, z. B. Ahnungsträume, die immer an früher Sichtbares anknüpfen, ist seinem Wesen nach
diesseitig, kann nicht als Erzeugnis einer Jenseits-Dimension angenommen werden. So beweist also der Okkultismus
zunächst nichts weiter als Mitteilhaberschaft der Ichpsyche am Fundus eines stillen Partners, der aber als Vertreter
einer viel größeren Weltfirma nur selten ins unbedeutende Geschäft des Ichlebens eingreift, dessen Routine
seiner Großzügigkeit nicht zusagt. Der laut lärmende Geschäftsführer, dem jeder Tag Bankrott droht,
kann sich drüben nicht gleich in den stillen Partner verwandeln, dem der Todeskonkurs nichts anhaben kann, weil
allmächtiger Trust hinter ihm steht.
Die spiritistische Hypothese persönlicher Fortdauer des Ichs stößt auf manche Schwierigkeiten. Deshalb
erkannte der verstorbene Professor Hyslop, daß hier zwischen Glauben und Begreifen ein großer Unterschied sei.
Constable meint, das transzendentale Selbst vermittle sich telepathisch nur in symbolischen Ideen, nur der Empfänger
kleide sie in Worte, weil dies seinem menschlichen Bewußtsein angemessen. Hyslop sieht in den Manifestationen einen
»Piktographischen Prozeß«, wobei – um es recht klar zu formulieren – der Lebende die Gedanken
des Spirit in solche Bilder überträgt, wie sie zum diesseitigen Bewußtsein und zur geistigen Beschaffenheit
des Mediums passen. In dieser von uns gegebenen Formulierung sind wir einverstanden, begreifen daher, daß Cäsars
oder Shakespeares »Geister« dem Geistesempfänger Schulze nur Triviales mitteilen können. In Fällen
der Persönlichkeitsspaltung, wo plötzlich Talent oder Wissen eines Verstorbenen in einem vorher talentlosen und
unwissenden Leben erwachen, glaubt Hyslop an positive Besessenheit durch einen fremden Spirit. Diese Fälle sind ziemlich
selten, können aber durch die Redensart Doppelich nie erklärt werden und lassen obige Möglichkeit zu. Denn im
Grunde ist Wiedergeburt einer Psyche in einem vom früheren sehr verschiedenen körperlichen Träger das gleiche,
nur daß hier nicht eine andere Psyche zeitweilig verdrängt wird. Doch kann man dies unbedingt wissen? Man stelle
sich vor, ein genialer Knabe vermisse überall etwas von seiner eigenen unbewußten Neigung Gewünschtes und
trete plötzlich in Kontakt mit geistiger Hinterlassenschaft eines Toten, wobei er einen elektrischen Schlag
empfängt, der ihm sein wahres Wesen zum Bewußsein bringt und Wiedergeburt des einst gleichen in ihm vollzieht: Von
da ab ist er innerlich besessen. Die Annahme, ein fremder Geist könne sich einem gebenden aufdrängen,
läßt auf unbegreiflich nahe Verbindung mit der Geisterwelt schließen und warnt vor zu naher Berührung
damit, die allerlei Unheil erzeugen könnte, vielleicht ließe sich auch Wahnsinn auf Infusion dämonischer
Einflüsse zurückführen. Das wäre nicht phantastischer als Hypothesen der Psychophysik für
Bewußtseinsstörungen.
Kontinuität des einmal bestehenden Bewußtseins ist des Menschen heißeste
Weitere Kostenlose Bücher