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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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im
Unsterblichkeitsgedicht der »Hebräischen Melodien« von mind, offenbar um das kirchenverdächtige soul zu
vermeiden. Ebenso wird unterschieden Ghost (Gespenst) von Spirits. Das gibt lauter Wirrwarr. Gott kann unmöglich den
gleichen Namen Geist führen wie der Menschengeist, Holy Spirit oder deutsch Heiliger Geist nicht von Gott verschieden,
Weltspirit aber nicht mit Spirits gleich benannt sein. Im Deutschen übersetzt man Geist für Logos, obwohl man
gleiches Wort für Menschenverstand anwendet, was griechisch keineswegs Logos heißt. »Geist Gottes« ist
ein übertragener Ausdruck, als sagte man Geist Goethes, Gott hat weder Geist noch Seele, sondern ist alles zugleich. Das
geheimnisvolle Logos verwirrt durch falsche Interpretierung; das italienische Spirito ist annähernd richtiger, zumal
anima als Seele davon unterschieden wird, im Englischen etymologisch sogar ins Tierische animal degradiert: Seele also gleich
organisches Leben. So wirbeln Begriffe durcheinander, ihres ursprünglichen Sinnes entkleidet. Denn philosophisch ist
Seele wirklich gleich Leben, die Religionen machen aber daraus persönliche Ichseele, so daß das Wort denkerisch in
Verruf kam. Für »im Anfang war der Logos« genügen »mind« und »spirit« so wenig
wie »Geist«. »Der Logos war bei Gott und Gott war der Logos« soll vielleicht heißen »
wurde«, der Logos verschmilzt sich mit Gott. Der Sinn ist wohl: im Anfang war das Unnennbare, das »Wort«,
oberstes Weltgesetz als Gottesemanation. Dies Wort sie sollen lassen stahn.
    Der Blitz erlischt, die aufblitzende Kraft besteht fort. Der Begriff Seele scheint junger und kirchlich dunkler Herkunft,
die Evangelien kennen nur Logos, verwandt mit Genie, wie das Wort Genius besagt, Geist (mind) nur sein Ausdrucksmittel.
Deshalb ein Genieblitz Byrons, wenn er Freiheit als Genius des grenzenlosen Geistes anruft, der in Ketten am hellsten
leuchte: transzendentale Freiheit von Materieketten. »Evidenz von Güte und Weisheit in der Außenwelt ist
sehr fragwürdig«, meint der Aufklärungstheologe F. W. Robertson (»Leben und Briefe« von Brooke).
Ihn lasse Gott als Schöpfer und erste Ursache kalt, und wo Laplace und Hume dies nirgendwo demonstriert sehen,
genüge kein bloßer Glaube. Wir lassen dies nicht gelten, geben dem Unglauben kein Recht zu denken: »Gott
scheint ein boshaftes Vergnügen darin zu finden, daß er beim Leid verweilt, das er verursacht«. Dieser
Freund Lady Byrons, dem sie ihr ganzes Leben erzählt haben soll (man begegnet bei Robertson keinem Tadel gegen Byron),
möchte Gott nur durch Jesu Leben und Lehre offenbart finden, wohlgemerkt durch einen vermenschlichten Erlöser, von
dem er meint, niemand wisse, was Jesus wirklich wollte. Derlei ist doch nur unbrauchbarer Kantismus: Gott als Produkt
menschlicher Seele. Welcher Seele, von Jesus oder Kant? Gewiß anerkennt Larochefaucould nur deshalb Eitelkeit und
Selbstsucht als einzige Triebfeder, weil er selber eitel und selbstsüchtig war, doch für den Durchschnittsmenschen
trifft es zu und dessen Seele soll Gott schaffen? Vor dem Gerichtshof des Verstandes stellt Berufung auf Gott in Leben und
Natur keinen juristisch haltbaren Beweisantrag, keine Offenbarung Gottes bloß von Gnaden menschlicher Vermittler ist
zulässig, er offenbart sich nur dem eigenen innern Erkennen.
    In Balfours Biographie Stevensons erscheint dieser tragisch angehauchte Liebhaber des Unheimlichen und seltsame
Schöpfer brutaler Gestalten, der in lebenslangem Siechtum energische Mannheit bewies, als demütiger
Gottgläubiger. Ihm aber strahlt Offenbarung nur in Schönheit und Erhabenheit der Natur, was dem Philister mehr oder
minder fremd bleibt, unter 100 Alpinisten folgt kaum einer andern Reizen als denen »mannhafter«
Muskelbetätigung. Und die großen Massen? – »Ich ahnte nicht, wie ganz unzugänglich sie sind
für Beweggründe, die den bürgerlichen Durchschnitt regieren, wie ganz versunken in Selbstsucht infolge
unablässigen Kampfes gegen die Gesellschaft, düstere undurchdringliche unterirdische Schufterei brütet im
Proletariat der Weltstädte« (»Rutherfords Deliwerance«). Und das soll unsere Zukunft bestimmen! Im
Stadtleben offenbart die Natur wenig von ihrer Eigenschaft, organisch Wunden zu heilen. Findet zwischen Erwerbsphilister und
Hungerkandidat der Geistarbeit innerer Ausgleich statt? Endet der Idealist nicht stets in schleichendem Ekel-Ärger und
Lebensüberdruß? »Müd' alles dessen schreie

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