Der Aufgang Des Abendlandes
habe Sesostris nie gelebt. Nubische, persische,
griechische Invasion veränderte nicht das typisch Pharaonische, ägyptischer Geheimkult beeinflußte noch das
Römerreich. Aus obigen Daten wird klar, wie die Fachgelehrten sich über »Blütezeit« in den Haaren
liegen! Auf gleicher Höhe steht die Entdeckung, indische Kultur altere als Buddhismus. Indiens Vorgeschichte gehört
der Urrasse an, die Arier aber befanden sich zu Buddhas Zeit gerade in voller Blüte, der Indusfürst Porus
imponierte noch Alexander, mit den Diadochen trat Asoka in Verbindung, unter dem sich Buddhismus auch künstlerisch als
Kulturfaktor ersten Ranges erwies. Dies als müdes Altern zu beschimpfen, ist empörend, auch in nachbuddhistischer
Zeit schuf Indien reiche Architektur und Skulptur. Entweder ist die eine kecke Behauptung falsch, daß nur junge
Kulturen Kunst erzeugen, oder die andere, Buddha sei ein Alterssymptom, natürlich sind beide falsch. Der Islam fand
seine Architektur erst spät (Alhambra, Tadsch in Agra), die Abendländer formten ihre schönsten Kunstbauten im
Spätmittelalter, die Malerei erst in der Renaissance, die meiste Poesie und ganze Musik in solcher Altersperiode,
daß Goethe, Byron, Beethoven, Wagner fast in die Jetztzeit hineinragen. Buddhismus aber wollte mit jugendfrischer
Männlichkeit die Materie überwinden, verlangte seelische Größe. Wieder ein Pröbchen dieses
Geschichtsdilettantismus, der hochtrabend doziert: Christentum sei im Gegensatz zum senilen Buddhismus das Produkt junger
Kultur, nämlich der arabischen! Das wird Juden und Griechen lebhaft überraschen! Daß er dies Semitische
»magisch« nennt, können nur Unkundige hinunterschlucken. Magisch dachten Ägypter, Perser,
Spätgriechen. Hält er vielleicht die Kabbala für autochton? Eine neue »magische Kultur« der Araber
gab es nie. Arabischer Islam ohne Kultur begann 600 Jahre n. Chr., der Koran enthält kein Körnchen christlicher
Ethik, die nur mit Urreligion sich berührte, sonst gealterter mosaischer Umwelt entsprang. Betrachtet man Jesus als
Juden, so wäre er Alterserscheinung kurz vor völkischem Untergang; hält man die Galliläer für
versprengte Gallier, so wäre er auch nur letztes Aufflammen der Südarier, ehe sie an die Nordarier ihr Zepter
abtraten. Doch Genius hat nichts mit Welken und Altern der Rasse gemein, die Altsemiten erzeugten ihre mächtigste
Erscheinung Hannibal bei ihrem Untergang, so wie die Juden ihre stärksten intellektualen Kräfte erst in ihrer
Rassezerstreuung gewannen.
Daß jede Kultur ihre eigene Seele habe, ist Binsenwahrheit; daß dieser Geschichtsklügler sie aber nicht
versteht, zeigt seine Auffassung apollinisch-euklidisch eng umgrenzter Griechenseele, als ob dionysische Ekstase des
Orpheuskult Plato und mystische Telepathiker nie existiert hätten, neben dem goldigen Apollo steht Apollonius. Daß
Lebensablauf von Kulturen abwechselt, dafür braucht man kein sensationelles Buch zu machen nach Vorbild des
Rembrandtdeutschen und anderer rhetorisch schillernden Eintagsfliegen. Daß er indirekt jede Evolution
ausschließt, würden wir begrüßen, doch was hilft ein unfreiwilliger Bundesgenosse, der selber
höchst gefährliche Altersstimmung verbreitet! Nur unpsychische Anschauung glaubt an Altern und Sterben psychischer
Werte, deren Blüte oder Welken keiner äußerlichen Zeitbestimmung unterliegt. Ebensowenig wie Evolution gibt
es Dekadenz, da körperliche Erschlaffung und Einschrumpfung kein Spiegelbild seelischer Entartung zu sein braucht, oft
das Umgekehrte. Soweit wir die Spur der Erdentage verfolgen, geht nichts wirklich unter, verbessert und verschlechtert sich
nicht, sondern im äußern Wechsel bleibt stets das gleiche Gewoge psychischer Regungen, deren Ausleben andern
unsichtbaren Ursachen entspringt als materiellem Kraftzuwachs oder Machtverfall. Großartig wirft Spengler der Jetztzeit
die Altersbrandmarkung ins Gesicht, daß sie deshalb keine großen Dichter hervorbringe. Seine Weltfremdheit ahnt
nicht, daß im kommerziellen Zeitalter der Technik und alexandrinischen Wissenschaftsklauberei selbst zehn Shakespeares
nicht gehört würden unterm Modetamtam des Massengeschmacks, der auch Kunst zum Handwerk mit goldenem Boden und
Kulturgeschäft machte. Solch äußere Erstickung bedeutet gar nichts für inneres Altern, denn werte
Zeitgenossen wie Spengler pflegen nie zu wissen, wann Kleist oder Grillparzer lebten.
Nichts läßt sich in Formeln einschachteln. Ob
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