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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Färber Kleon oder Klodiusbanden heut in Deutschland ihr
Unwesen trieben, darum braucht es nicht entfernt den Gang zu gehen wie antike Demagogie, vielleicht eher des Mönchleins
Luther schweren Gang und Scharnhorsts bedächtigen Schritt. Wer Chamberlains Scherz mitmacht, Religion mache Rasse, statt
umgekehrt, mag allgemeine christliche Europäernation der Gotik dekretieren, obschon Germanisch und Romanisch sich in
gleicher Kirche bald rassig trennten. Jedenfalls wäre dies aber nicht »faustisch«, sondern ein
»magischer« Consensus. »Faustisch« seefahrteten Phöniker so gut wie Normannen, die Griechen kann
man faustisch, magisch ebenso nennen wie euklidisch, da eigentlich nur ihr Theaterszenarium den Ödipus auf Kolonos vom
Todesvorhang abgrenzend abschloß. Auch ist Zivilisation nicht »Geist«, sondern geisttötend, Kultur
aber stets städtisch, »Blut« des Landes stockt träge, in Stadt wie Land drückt hindämmernde
Masse Kultur nieder, deren Bestand jedoch in wenigen Mehr-als- Menschen nie ausstirbt. Indem Spengler Erfolglosigkeit alles
Geistigen versichert, schmeichelt er den Ewiggemeinen, die ihn instinktiv als Apologeten ihrer Nichtigkeit
begrüßen, verkennt aber den trotzdem »magischen« Einfluß »faustischer«
Individualitäten. Ist Faustidee so willensmörderisch, warum war der politische Bannerlöser des geographischen
Begriffs Deutschland ursprünglich eine Faustnatur? Wer den Spießer noch aufhetzt, Unpraktisches zu lynchen,
plaudert nur verspätet das Geheimnis von jedermann der Vorkriegszeit aus und »deklamiert, jetzt sei nicht Zeit zum
Deklamieren«.
    Spengler stieß das nämliche zu wie dem jungen Weininger bei »Geschlecht und Charakter«: alles, was
sich auf ihre Buchtitel bezieht und den Augenblickserfolg sicherte, ist anfechtbar, oft geradezu falsch, alles aber, was zu
philosophischer Begründung dienen soll, ist nicht nur kühn, sondern oft groß gedacht, nur hat es zum
Grundthema nichts zu besagen. Dies gilt besonders für Spenglers Handhabung der Begriffe Zeit, Raum, Schicksal, Zufall.
Seine Auffassung der Zeit als einer nur qualitativen Größe macht Aristoteles und Kant zu Zeitgenossen,
läßt gleiche Geschichtsperiode vor 5000 Jahren wie heute sich abspielen. Dieser Gedanke ist nicht neu, lange vor
ihm hat ein bayrischer Freiherr alle Geschichtsabschnitte mit einer Art Zahlenkabbalistik eingeteilt, auch Kemmerich hat
neuerdings auf Grund solcher Zahlenberechnung prophezeien wollen. Goethe war mathematisch-geometrisches Denken verhaßt
als Tötung lebendiger Anschauung, die seit Pythagoras so oft gepredigte Wichtigkeit der Zahl ist Nichtmathematikern
verschlossen, indessen erhebt sich der Mathematiker Spengler insofern über Zahlengläubigkeit, als er mit Schicksal
und Zufall rechnet. Was er über Schicksal äußert, ist im ganzen tief, doch verwirrt er alles durch Glauben an
planlosen Zufall. Solche Vermischung zwei einander ausschließender Begriffe ist ebenso furchtsam wie konfus.
Mechanistik ist nicht furchtsam, indem sie nur Zufall anerkennt, wohl aber konfus, denn gerade in ihr kann es nichts geben
als Kausalität, ihrem Wesen nach nie zufallmäßig. Wer aber auf Fatum und Kismet schwört, rechnet mit
unberechenbaren Faktoren neidischer Götter oder eines launischen Allah. Beides zugleich kann es nicht geben, für
Geschichtsgesetze kommen nur zwei verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Entweder Mechanistik, selber Schicksal, die
mit logischer Kausalität Geschichtsepochen abschnurren läßt wie Grammophonstücke in immer gleicher
Abwechslung. Oder eine vom Schicksal gehäufte Tatsachenmenge, die jederzeit durch zufällig scheinende Eingriffe
andere Richtung und Form bekommen könnte. Erstere Annahme setzt unmögliche Automatik voraus, als ob
Geschichtsvorgänge sich mit gleicher Regelmäßigkeit abspielten wie Verdauungsprozesse. Die zweite aber macht
jede Gesetzmäßigkeit unmöglich, obschon doch Spengler gerade darauf hinaus will, denn Zufall könnte
jedes Schicksalsgesetz zerstören. Als Karthago zum Falle reif, gebar es zufällig seinen einzigen großen Mann:
hätte Hannibal zufällig Rom erstürmt oder auch nur Hastrubal am Metaurus gesiegt, wäre also Europa nicht
für die Arier gerettet worden. Daß der Zufall umgekehrt handelte, war von ihm merkwürdig weise berechnet!
Spengler scheint zu unterscheiden, obschon er es nirgends klar sagt: Schicksal ist das durch Natur und Psyche Gegebene, was
zwar allgemeinen Gang

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