Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
wurden. Bei Annahme einer sprunghaft
plötzlichen Entwicklung wäre die eigentliche Evolutionsthese schon erledigt, denn die Natur erschiene dann als eine
mit souveräner Willkür schaltende Künstlerin, was den unkünstlerischen Wissenschaftlern nicht behagt, die
nur eine langsam methodisch arbeitende Geschäftsdame im Kontor brauchen. Indessen schmiert wahre Kunst nicht wüst
drauflos wie ein dekadenter Lyriker, sondern verfährt logisch kontinuierlich. Es gibt da ein geheimnisvolles Beispiel:
Umwandlung des mexikanischen Wassermolchs in Erdsalamander. Hier erweist sich zunächst der Schwindel mit unbegrenzten
Zeiträumen als närrisch, denn die Verwandlung im Zwange der Not erfolgt in kürzester Frist, man will sie in
wenigen Tagen beobachtet haben. Doch die verzweifeltste Anstrengung konnte nicht plötzlich durch Lunge statt mit Kiemen
atmen, wenn eben nicht Ansatz einer richtigen Lunge vorhanden gewesen wäre. Ein ähnlich entscheidendes Organ
müßte beim Menschen das Hirn gewesen sein, also seine Wundertätigkeit behalten haben. Das stimmt durchaus
nicht, das »Ebenbild Gottes« macht eine schnurrige Figur in unveränderter Ohnmacht, dagegen braucht man sich
keine grauen Haare wachsen zu lassen wegen anscheinender zoologischer Verwandtschaft mit dem Schimpansen. Wie wäre es
anders möglich, da alles Organische dem gleichen Strukturgesetz unterfällt und der Mensch nicht auf Erden wandeln
könnte, wenn seine sichtbare Gestalt über unerläßliche organische Bedingungen hinauswüchse! Solche
Selbstverständlichkeit vergißt eben nur, daß es sich bei der psychischen Seite um eine unsichtbare Ebene
handelt, daher eine durchaus vom Affen verschiedene Psyche von Anfang an den Menschen begleiten konnte und mußte. Die
Popularität des Darwinismus beruht auf der Vorliebe des Spießers für ein seinem Fassungsvermögen
handliches Weltbild. Schwerere Denkarbeit erfordert eben die Erkenntnis, daß die Weltseele aus viel großartigeren
Beweggründen schafft.
     

 
4
    Jeder vorurteilslose Anatom und Zoologe finden sich wie Th. Eimer zu Lamark zurück: Gesetzmäßige
Abänderung durch Zwang der Außenwelt innerhalb festgelegter Geleise bestimmter Artrichtung. G. Wolf wies sogar
mathematisch die Unmöglichkeit einer Zufallauslese nach: Bei Häufung höchst komplizierter und doch völlig
symmetrischer Organe im Tierleib sei deren Zufallentstehung so unwahrscheinlich wie die einer Lokomotive. Voltaire
wählte einst das Uhrgleichnis, unsere Erkenntnistheorie benutzt es so: Die Uhr läuft anscheinend von selber, man
sieht den Zeiger sich bewegen, doch vergißt den unsichtbaren Uhrmacher, der obendrein die Uhr immer wieder aufziehen
und reparieren muß. Selbstregulieren ist nur vorstellbar, wenn er heimlich in ihrem Gehäuse sitzt,
Sich-selbst-Schaffen der Uhr nur, wenn er selbst sich in sein Werk verwandelt hätte. Entstehen und pünktliches
Funktionieren der Uhrnatur durch eine Reihe günstiger Zufälle gliche der unbefleckten Empfängnis oder sonst
einem Mirakel, man möchte wünschen, Humes Wahrscheinlichkeitsprüfung hätte den Darwinismus zwischen die
Klauen bekommen. Wo man ihn packt, da ist er interessant wie eine Räubergeschichte. Konkurrenzkampf ums Dasein fand in
der Urzeit nie statt, bei deren weiten unbewohnten Räumen man sich nicht um die Futterkrippe zu drängeln brauchte.
Auch im Urwald wird Samen nur durch äußere Elementareinflüsse vertilgt, gegen die Bäume selber
wüten Sturm, Blitz, Feuer, über ihr Gedeihen entscheidet der Standort bei Lichtbestrahlung: Schicksal, wenn man
will, doch nirgends Kampf ums Dasein. Den erzeugt höchstens künstlich ungeschickte Bepflanzung durch Menschenhand,
so wie schlechte Gesellschaftseinrichtung den modernen Kampf aller gegen alle verursachte. In der Tierwelt freilich erscheint
dieser Kampf als rein ökonomisches Gesetz: Gäbe es keine Pflanzenfresser, würden die Pflanzen den Boden
schädlich überwuchern; gäbe es keine Fleischfresser, so würden alleinige Pflanzenfresser das Erdreich
leerknabbern und so Lebenserhaltung beeinträchtigen. Wer diese wunderbare Teilung der Arbeit auf listigen Zufall
zurückführt, der muß sich vor »seiner Majestät dem Hazard« verbeugen, solche Zufallsmechanik
verdient göttliche Ehren. Doch die Majestät der Unweisheit bedarf treuherzigen Glaubens an Grimmsche Märchen,
wie er so rühmlich Darwinistengemüter kennzeichnet. Diesen dreimal heiligen Zufallsmechanismus wie einen heiligen
Rock

Weitere Kostenlose Bücher