Der Aufgang Des Abendlandes
von Trier anzubeten, ist »unser Verstand zu enge, für ihn ist nur das Herz ein würdiges Haus«. Das
sagt Fichte freilich vom lieben Gott, doch die grundsätzliche Haltung gleicht sich vollkommen: glaubt kritiklos, so
werdet ihr selig in Haeckels Schoß.
Greift nur hinein ins volle Naturleben, da spendet man ein genaues Jahresbudget zwischen Raub- und Beutetieren,
tägliche Wägung wie bei sich trainierenden Athleten, ob Gangart von Wolf und Reh so Distanz hält, daß
nicht alle Rehe gefressen werden und nicht alle Wölfe verhungern? Nur Waldfremde wissen nicht, daß überall
Lotterietreffer der Witterung bei der Jagd entscheiden. Mehr äsende Rehe erliegen durch Hochwasser, Schneewehen, Bremsen
als durch Wolfsrudel, die besten oder schlechtesten Exemplare fallen, wie in der Schlacht die Kugeln mit Starken und
Schwachen gleichmäßig aufräumen. Von Auslese keine Spur, Anpassung entweder ein Truism – denn was sich
dem Milieu nicht eingliedert, kann natürlich nicht leben – oder falsche Lesart. Keinenfalls wirkt Kampf ums Dasein
selektiv, Ausstattung der Tiere mit so unendlich verschiedenen Körpermerkmalen richtet sich nicht für den
Daseinskampf ein, sondern entspringt individuellen Eigenschaften, z.B. der Eitelkeit. Was als Schmuck dient, wie
Federbüsche des Paradiesvogels, zu schwere Hörner des Steinbocks, die als Waffe überflüssige und
unbrauchbare Geweihkrone des Edelhirsches ist fürs Fortkommen eher zweckwidrig. So auch die elastische Polstersohle des
Bären, da sie vor Kälte springt oder vor Hitze ansengt. Die gewundenen zurückgebogenen Zähne des Mammuts
scheinen sehr unzweckmäßig. Wir entnehmen diese Beispiele dem geistvollen Vortrag des Prinzen Alois Lichtenstein
1901. Gleichwohl müssen wir sofort ergänzen, daß der Mammut sich doch wohl gut sein Futter verschaffte, denn
er ging nur durch die Eiszeit ein, vor der er nicht schnell genug emigrierte wie der Elefant, der stets einen geeigneten
Stoßzahn besaß. Warum dieser Dickhäuter sich durch großartige Intelligenz auszeichnet, seine
Verwandten aber (Nashorn, Flußpferd, Tapir) durch hervorragende Dummheit, wird wohl kein Darwinist enträtseln. In
dieser uralten, stets gleichzeitig lebenden Gattung hat sich wahrlich nichts evolutioniert! Und wozu macht die Natur
Kunststücke wie Form- und Farbenpracht der Blätter und Blüten (Atmungs- und Fortpflanzungswerkzeuge), die
höchstens zu botanischer Einreihung dienen? Erschuf »Gott« solche Schönheit, wie ein Theologe sagen
würde, um des Menschen Herz zu erfreuen? Darwin, Interpret eines merkantilen Zeitalters, denkt immer an den praktischen
Wert, was sagt er zur unpraktischen Ästhetik der Natur? Indessen hängt ja die Schönheit nur vom Auge des
Beschauenden ab, physikalische Betrachtung gerät gleich wieder in Metaphysik hinein. Doch auch das
Zweckmäßige wird mit rätselhafter Mannigfaltigkeit hergestellt. Die Bewegungsorgane aller Gattungen sind
verschieden, doch alle tauglich zum Durchmessen gewisser Entfernungen. Vögel segeln, schwimmen, rudern in Lüften
anders als Fische, Falter, Käfer, doch alle miteinander sind ausgezeichnete Mechaniker, die Flossen Flügel, aufs
Wassermilieu übertragen; Fledermaus und Flughund bedienen sich sogar der Fallschirme. Wie spät gelang unsern
Luftschiffern, durch Analogie solche Geheimnisse abzulauschen, wieviel genialer in ihrer Einfachheit und doch wieviel
abwechslungsreicher sind Flugsysteme und Materialien der Tiere! Daraus eine Pauschalsumme selbstbestimmender Entwicklung zu
ziehen, scheint aufgelegter Schwindel. Der erste Vogel, dem Schwingen wuchsen, benutzte sie wie heute, die Selbstbestimmung
lag im Organ, ohne daß es irgendwelcher Entwicklung bedurfte. Das Naturwerden bindet sich an keine Regel, ganz
verschieden wachsen Hörner oder Geweihe, ohne daß die Gegner dieser Waffe verschieden wären. Der Hirsch hat
Geweih, der Löwe Mähne als Mannbarkeitszeichen? Auch die Renntierkuh hat Geweih, die kanadische Wölfin eine
Mähne. Warum hat die Hundegattung bis zur Hyäne, die ihrer dringend bedürfte, keine Krallen? Die Katzengattung
zieht ihre Krallen ein, den Bären hindern seine uneinziehbaren Krallen nicht beim Laufen. Nirgendwo findet man
gymnastische Ursachen, wie Darwinisten sie sich für Aufrechtgang des Menschen ausdenken, doch überall gleiche
Tauglichkeit. Der Eisbär fängt Fische mit Tatzenschlag, der sonstige Bär nicht, noch weniger die Katzenarten,
doch mit Ausnahme des Jaguar, der
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