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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Sadismus verewigen wollte. Affe ist des Tigers Leibgericht, während er den
Menschen höchstens aus Blutrache als alten Tigerjäger anfällt (vgl. Ossendowski). Der Kannibale verbannt
diesen Braten von seiner Tafel, älteste Feuerstätten bieten keine Affenknochen, dieser Verwandtenliebe lüstert
es nie nach gegenseitiger Berührung. Ursagen hätten sich gewiß nicht geniert, solchen Stammvater zu
allegorisieren wie andere leibhaftige Tatsachen von Riesen und Zwergen. Unser Embryo enthält ja auch Lefebvres
»Vegetabil mit Blättchen«, warum hütet man sich, auch pflanzliche Ahnengalerie in den Stammbaum
aufzunehmen? Francé's These (ähnlich Bansens 15 Erdteile), jeder Boden habe besondere Rasse, setzt unzählige
Protoplasmen voraus. Nun wohl, die Fötusvorgänge lassen nur eine Erklärung zu, die wir künstlerischem
Verfahren entleihen. Ein Maler verfertigt Aktstudien zu jeder Figur und Skizzen der Gesamtkomposition; wirft er sie nachher
weg als wertlose Atelierschnitzel? Mit nichten, er sammelt sie in Mappen für persönliche Erinnerungsorientierung.
So skizziert Schöpfungskunst ihre Ideen, wie sie sich Aufbau tauglicher Körper denkt, ins Embryonotizbuch, ihre
Sparsamkeit bewahrt und verwendet sie zur Knetung der Formen aus unzähligem Protoplasmateig. Gleiche Struktur der
Wirbeltiere scheint nur Abspliß vom menschlichen relativen Vollendungsmodell.
     

5. Das Weltreich der Illusionen.
     
     
1
    Apologetisch übertreibt Horace Samuel, daß Nietzsches Doktrin nicht mindere Selbstverleugnung vom
Übermenschen fordert als vom Altruisten, und daß sie ausdrücklich die Unsterblichkeit des Lebens in ewiger
Wiederkehr des Gleichen lehrt. Also selbst Nietzsches Gedankenflucht kommt nicht hinweg über die zwei Grundpfeiler: Das
Karmagesetz in verhülter Form und hiermit Ablehnung der Evolution im Fortschrittssinne. Es belustigt, wie dieser
Antichrist enthusiatisch predigt als eigener Christus, unfehlbar borniert wie Orthodoxe. Wir brauchen nicht so weit zu gehen,
in seiner Umwertung einfach Auflösung des früheren Zerebrallebens zu erkennen, erstes Stadium der Paralyse. Seine
Briefbekenntnisse machen klar, daß seine Stärkevergötterung dem Sehnen nach geistigem Überglück
entsprang, weil ihm körperliches Wohlsein versagt blieb. Was bei Stendhal (schon früher Chamford und de Vignys
Stoa) stramme Willenskraft starrer Ichsucht bedeutet, pfropfte er seiner Hysterie in epileptischen Krämpfen auf, die
gegen die Wirklichkeit strampeln. Seine historische Unkenntnis hielt die griechische Ethik für geistesverwandt,
während sie von Lebensbejahung in seinem Sinne nichts wußte. »Das beste wäre, nie geboren zu
sein.« Die Ansteckung mit Ethik war dort so antinietzscheanisch wie irgendwo; kannte er als Philologe nicht die
äschyleischen Eumeniden? Daß das Wort »gut« sowohl moralisch als materiell gedeutet werden kann,
wußte schon Spencer, das beweist nur notwendige Gleichzeitigkeit beider Begriffe, wo eben beim Ethiker das ethisch
Gute, beim Materialisten das materiell Gute im Vordergrund steht, nicht aber nachträgliche Einschmuggelung der Ethik.
Ebenso kindisch ist das Unterstreichen der Wortgleichheit von Schuld und Geldschuld. Denn natürlich heißt Schuld,
daß man sich gegen die moralische Weltordnung verschuldete und dies dem Gläubiger abzutragen habe. Daß die
angeborene Gewalttätigkeit sich im schlechten Gewissen gegen sich selber kehre, verwirrt wild die Ursächlichkeit.
Denn gerade Nietzsches blonde Bestie kann sich immer nur nach außen wenden, da sie ja nur Außenwelt anerkennt.
Ewiger Kampf des tollen Ich gegen die Welt ist eine Tatsache, deren angebliche Schwächung und Beschneidung nur ein
weldfremder Professor voraussetzt, denn die wirtschaftlich Starken arbeiten heute mit gleichen Mitteln wie der älteste
Sklavenhalter. »Der langsame Selbstmord, den wir Staat nennen«, war nie ein Werk der schwachen Herde, sondern der
Schafzüchter, die diese scheinbare gesetzliche Beschränkung nur zu ihrem Vorteil ausbeuteten. Daher wirkt Hobbes
Naivität, der die Gesellschaft für einen Contrat Social hält, als ob dieser Vertrag an einen einmaligen
Abschluß gebunden wäre, so schädlich wie die Rousseaus, ob ersterer dies nun rechtmäßig oder
letzterer unrechtmäßig findet. Auch der Rechtslehrer Ihering ist naiv, wenn er Recht für Überwiegen der
allgemeinen über die individuellen Interessen hält. Denn nie verfuhr man so, immer war Recht nur geronnene Gewalt

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