Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
solchem Mißverstehen
durch solch unklare Orakel?
    Der gedankenreiche, doch allzu dogmatische Steiner bringt in seinem Vortrag »Theosophie und Philosophie«
Aristoteles und dessen scholastische Jünger sowie Hegel zu Ehren, verwirft Kant und seine Nachfolger. Das
stößt jeden vor den Kopf, der Kants Verdienst als Wegräumer scholastischer Spinngewebe würdigt. Hat er
willkürlich sich selber den Weg zur reinen Vernunft verannt? Kants Mißversteher sehen eben nicht sein
Janusgesicht, daß er als Rationalist auf Humes Fährte begann, daß aber, je tiefer er ins Dickicht des
Weltgeheimnisses eindrang, bald ein Unterton erklang wie die Glocke von Uhlands verlorener Kirche und immer deutlicher
transzendentale Sphärenmelodie ihn umrauschte. Steiners drei Stadien zur höchsten Erkenntnis »Phantasie,
Inspiration, Intuition« verschlossen sich Kant theoretisch keineswegs. Was er produktive Einbildungskraft nannte, soll
diesen Pfad beschreiten. Die drei Stadien nur durch theosophische Disziplin zu erreichen, ist schwer, sie liegen aber schon
vorbestimmt im höheren Menschen. Denn mit Recht spottet Steiner, daß der Materialist das Genie aus den Wolken
fallen lasse, während es nur Fortsetzung dahin führender Präexistenzen sein könne. Doch er hätte
sich nicht mit solchem Ausnahmezustand zu befassen, sondern mit Möglichkeiten jeder Psyche, die er allzu freigebig
seinen Jüngern verspricht. Auseinandersetzung mit Kant wäre hier nachzuschlagen, siehe später.
    Merkwürdigerweise bekannte sich auch Helmholtz gewissermaßen zu Kant, indem er jede Ähnlichkeit, wie eines
Gemäldes mit dem konterfeiten Gegenstand, zwischen unserer Anschauung und dem Ding-an-sich leugnet. Was der Mensch in
sich erfahre, sei nur ein Sinnbild, das ja dem, was es bedeuten soll, nicht ähnlich sein braucht. Gut, also alle Physik
nur Symbolistik! Was fängt sie mit der aristotelischen Unterscheidung von Form und Stoff an? Unser Anschauen
erfaßt nur die unzählbar wechselnden Formen, nur sie drücken sich wie in Wachs in unsere unterwürfigen
Sinne ab. Was Steiner weitschweifig andeutet, formulieren wir scharf: Sobald wir Formen in Gruppen sondern und sammeln und
diese dann zu Allgemeinbegriffen verbinden, begehen wir schon einen Akt der Vernunft, weil losgelöst von der Symbolistik
bloßer Sinneserfahrung der Formen. Wir freilich nennen unsererseits dies gewollte Objektivieren der Vernunft selber nur
ein Symbol füs die Einheit von Subjekt und Objekt. Damit erfassen wir nicht ein Ding-an-sich, das jenseits jeder
Vernunft liegt, doch wir gewinnen den rechten symbolischen Standpunkt, uns ihm zu nähern. Denn indem wir es uns
vorstellen, eröffnen wir schon, Symbol gegen Symbol, einen Tauschhandel. Das übrige muß eben
Inspiration-Intuition tun, durch welche allein die relative Realität sich entschleiert. Jeder Realismus, der mit
mechanischen Mitteln die symbolische Materie abstrakt begreifen will, ist unrealistische Ideologie.
    Auch Mono- und Polytheismus sind nur Symbole. Semitische Vielgötterei entdecken wir nicht bei den Akkadern, die
eigentlich nur zum Mond- und Sternengott beteten, was weit eher monotheistisch klingt als Anbetung eines Stammgotts, der ein
auserwähltes Volk aus einem Zionstempel regiert. Die Moabiter (Dibonfund) wären dann ja auch Monotheisten. Die
Methaphern des Jesaias sind alle geborgt aus akkadischer Mythologie. Dem Morgenstern, den ja die Chaldäer zuerst
berechneten, vergleicht er den Babelkönig, der sich auf dem Götterberg (Olymp der Akkader) erheben will, doch zum
Hades hinab muß, wo Schatten auf Schattenthronen sitzen und den Neuankömmling begrüßen. An diese
Fortdauer glaubt der Sumerer, Göttin Istar sucht ihren Gatten dort unten, »im Haus der Toten ist mir eine Krone
bewahrt«. Gott Merodach »erhebt die Toten zum Leben, hilft allen Notleidenden«, er ist Mittler zwischen
Menschen und zürnenden Naturgöttern, ein mitleidig verzeihender Christus. Gott Nebo ist nur sein
»Prophet«, Sonnengott Baal verschmilzt mit ihm, er ist der Heilige Geist, der zuletzt noch allein als Gottheit
angebetet wird. Sumerische Bußpsalmen aus frühester Zeit voll ergreifender Frömmigkeit atmen unverkennbaren
Monotheismus. Dessen Evolution zum Christen- aus dem Judentum ist Fabel, um so drolliger, als die Lehre des Ägypters
Moses und der ihr verwandte Islam (der Koran ein politisch-soziologisches Buch wie das Alte Testament) beide das Christentum
mit seinen Dreieinigkeiten, Madonnen und

Weitere Kostenlose Bücher