Der Aufgang Des Abendlandes
absolute, aber eine große und beweisbare Wahrheit. Denn daß nur
Handlungen und Werke fortdauern, deckt sich mit dem natürlichen Vorgang, da das Ich illusorisch, doch die von ihm
ausgehenden Bewegungen tatsächlich und durch Verkettung der Kausalwirkung ewig sind. Die »gesammelten Werke«
eines Autors überleben ihn nicht nur zeitlich, sondern wirken, wenn sie längst Makulatur sind, indirekt fort durch
die auf andere übertragene Anregung als Anstoß für andere Werke. Wenn für die Schöpfung gilt
»Die unbeschreiblich hohen Werke sind herrlich wie am ersten Tag« trotz substantieller Vergänglichkeit der
einzelnen Planeten, so sind Shakespeares Werke heute noch lebendiger als bei seinen Lebzeiten. Es liegt Anerkennung der
Gleichgültigkeit des Individuums in der bekannten Ausrede: Es interessiere uns nicht, wer diese Werke vollbrachte. Somit
gibt die Wirklichkeit auf der ganzen Linie Buddha recht. Die Unvergänglichkeit aller Handlungen (im Indischen identisch
mit »Werken«) öffnet einen Tiefblick von besonderer Tragweite. Alles Gehandelte und Gedachte drückt
sich nach indischer Auffassung in der Astralwelt ab. Jeder sollte daher recht vorsichtig sein bei Gedanken und Handlungen,
die nicht nur direkt einzelne, sondern indirekt die Masse schädigen. Die im Weltkrieg angesammelte Summe von Haß,
Niedertracht, Verlogenheit wird noch lange die Erde besudeln. Buddha behandelt freilich bei den für ihn substanzlosen
Phänomenen nur deren Wirkungen als wesenhaft und Schullogik fragt, wie aus nichts etwas werden und wirken könne.
Abgesehen davon, daß nach Ausstreichung des Ichsubjekts erst recht ein großes Etwas übrig bleibt,
nämlich das allgemeine organische Leben in all seinen Funktionen, kümmert sich das All schwerlich um platte
menschliche Logik. Doch gilt dies nicht auch für Buddha selber? Dieser verzichtete auf Fortdauer seines zeitlichen
Sieges in Indien, sagte richtig voraus, daß dies nur 10 Jahrhunderte dauern werde. Heute blüht der wahre
Buddhismus nur noch in Ceylon, Siam, Burma, bemächtigte sich zwar der ganzen mongolischen Rasse, vermischte sich aber
dort mit Schamanismus und verlor philosophisch viel von seinem Gehalt. Wäre Buddhismus metaphysisch das Absolute, so
hätte im Denken Indiens nicht der vedantische Brahminismus die Oberhand bekommen. Jedenfalls wird wiederum klar,
daß Evolution zum Besseren sich auf Erden ausschließt, denn unstreitig erreichte die indische Hochkultur nur
unter buddhistischer Herrschaft (Asoka) ihre Vollkommenheit und sank dann in populären Götzendienst schlimmster Art
(Göttin Kali, Thugs) zurück. Und weil Buddha dies voraussah, trotzdem er eine Rasse wirklicher Übermenschen
(Arahant) züchtete, so ist sinnlos, ihm eine evolutionistische Fortschrittsethik zuzuschieben. Darüber hätte
er nur gelächelt: närrischer Mensch, du hast nichts vom Weltprozeß begriffen.
Doch begriff er selber alles, deckt seine Logik sich unbedingt mit der Allbedingung? Denn wenn wir das Grundgesetz der
Wiedergeburt nachprüfen mit eigener Erleuchtung, so drängen sich Zweifel und sogar Gewißheit auf, daß
das Individuelle überhaupt nicht glatt auszumerzen sei. Denn um ans Shakespearebeispiel anzuknüpfen, so ist einfach
unwahr, daß nur dessen Werk und nicht seine Person von Bedeutung sei. Ohne letztere können wir erstere als
Handlungen der letzteren unmöglich richtig verstehen, Halb- oder Unverständnis einer großen Handlung hat
natürlich schädliche Kausalfolgen. Auch die Ketzerreform Buddhas, wie Brahminen es auffaßten, versteht man
richtig nur durch seine gewaltige Persönlichkeit und sein Milieu, welches doch selbst nur die Gesamthandlung
unzähliger zeitgenössischer Persönlichkeiten darstellt.
3
Wenden wir nun das Gesetz der Wiedergeburt »nicht derselbe und doch kein anderer« an, so muß nochmals
gewarnt werden vor der Buddhas Meinung zuwiderlaufenden Verdrehung in Gjellerups Roman »Weltwanderer«, als ob
genau die gleichen Personen nur in etwas anderem Kostüm in gleicher Gruppenbeziehung untereinander ihr früheres
Schicksal nachäfften. Das widerspricht der Kausalität, da die hinterlassenen Handlungen jedes Einzellebens
notwendig auf das Nachfolgende verändernd abfärben. Nichtsdestoweniger wird für Tieferblickende eine
innerliche Identität der auseinanderfolgenden Iche bemerkbar, die sich mit buddhistischer Wegleugnung des Selbst nicht
verträgt. Wie steht es mit Buddha selber, da die Buddhas doch als
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