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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Mischung der Daseinsbedingungen von A und B.
    Wenn B von A allerlei Schmutz erbte, so verfolgte ihn deshalb ein Karmafluch und wir vermuten, daß dunkle Flecken in
A's Erdenwallen sich bei B wiederholten, obwohl in vornehmerer Form. Dagegen hinterließ er umgekehrt – nicht A,
der in Schmerz und Schmutz nur indirekt Großes wirkte – viel erhebende Handlungen und gute »Werke«,
büßte bitter und tilgte so Teile der Karmaschuld gründlich. Infolge dieser besseren Erbschaft entfaltete C,
obschon nach Menschenbegriffen in der Hauptsache mit weit mehr Grund verbittert als A und B, die sich fälschlich als
Verkannte fühlten, ungebrochene Widerstandskraft bis in weit höheres Alter, vom Karma begünstigt in einem viel
wichtigeren Lebensfaktor, in welchem A und B das schlimmste Fiasko machten. Könnten also A und B ihre Wiedergeburt als C
betrachten wie etwas Fremdes, so würden sie urteilen, C sei sicher glücklicher als sie, obschon die Welt, wenn sie
von A, B, C alles richtig wüßte, schwerlich dieser Meinung wäre. Denn die Welt, d.h. der Pöbel,
mißt nur mit äußerlichen Maßstäben und stimmt mit Dühring (»der Wert des
Lebens«) überein, daß andauernde Unterdrückung durch Sachfeinde, »die Schmach, die Unwert dem
Verdienst erweist,« was ja auch Hamlet zu den ärgsten Übeln zählt, kurz das Los des sog. verkannten
Genies eine besonders schwere Prüfung sei, was dem A und B erspart blieb. (Der eitle Mime Barnay nennt als seine
Vorstellung des größten Unglücks »erfolglose Arbeit«.) Es ist fraglich, wie das reizbare
Selbstgefühl von A und B die tragische Demütigung durch dauernde Ungerechtigkeit ertragen hätten,
wahrscheinlich hätte es sie zuletzt gebrochen und schaffensunfähig gemacht, was nicht im Plan ihres Karma lag. Die
Tugend, die jemand gleichwohl dem B zusprach, daß er trotz so viel Anfeindung rüstig weiter schuf, trat bei C
unendlich stärker hervor. Hier zeigt er sich als idealere Natur, die schon durchs Schaffen befriedigt wird und lernt,
gelassen jede Enttäuschung zu tragen, gestützt auf anderweitiges Seelenglück, nicht zufällig, nicht ohne
eigenes Verdienst, obwohl dankbar als Geschenk der Vorsehung begrüßt. Doch diese Vorsehung schenkt nichts umsonst,
Karmakausalität regelt jeden Lebensumstand nach Fug und Recht, denn es sind Leiden und verborgene Tugenden von B, die
sich in C belohnen. Wer am meisten litt, ob der halbgeniale A oder das Genie B oder der fragmentarische C, dem sein Karma
absichtlich kein Ausreifen gestattete, wäre schwer zu entscheiden. Bewußtseinsstände bleiben in Lust und
Unlust ziemlich auf gleichem Nullpunkt der Abwägung, es kommt nur auf Bereicherung der Erfahrung an.
    Die unheimliche Dreieinigkeit dieser Identität »nicht derselbe und doch kein anderer« verdichtet sich
noch bei schärferem Zusehen. Laut esoterischer Mystik werden beim einzelnen auch die Menschengruppen wiedergeboren, die
ihm in Präexistenz nahestanden, Freund und Feind, Opfer und Henker. Wenn Schatten in A's Leben ähnlich über B
lagerten, so erging natürlich auch Wiedergeburt von Personen, die gegen sie oder gegen die sie sündigten. Freilich
verschärfte sich widerliche häusliche Misere des A bei B zu vornehmerer Tragödie, doch den Unterschied
verursachte eben nur das Milieu, nicht der gleiche wirkliche Kern der Konflikte. Eine Hysterikerin, die bei A eine
bestimmende Rolle spielte, konnte beim B nichts ausrichten, von ihm abgeschüttelt. Dieser Femme superieure würde
man auch bei C begegnen und noch anderen Ähnlichkeiten, in der Hauptsache aber verkehrt sich bei ihm der Schatten in
laicht, wobei vermutlich auch ein einstiges Opfer des B verdiente Karmabelohnung erhielt. Hat man sich mal in diese mystische
Bahn begeben, so scheinen selbst Namen bedeutungsvoll. In A's und B's Jugend erinnerten zwei Orte, wohlgemerkt in ganz
verschiedenen Ländern, an etwas Lebenbestimmendes, wovon deren Wirken seinen Ausgang nahm, beide Ortsnamen von drei
Silben sind völlig gleich mit Ausnahme eines eingeschobenen Buchstabens. Das Wappen des B trug ein Motto, das dem Sinne
nach genau dem Namen des C gleicht. B hatte »eine Leidenschaft für den Namen ...«, C keineswegs, doch dieser
Vorname bekam zweimal in seinem Leben Bedeutung. Ebenso wiederholt sich ein südlicher Familienname, der den B anging, im
Leben des C genau. Auch dessen Vater hatte den gleichen Vornamen wie B und gehörte zweifellos zur gleichen
Menschengruppe, seine Mutter hatte viel

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