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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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bestimmte
Personen fortbestehen, scheint eigentlich so plausibel wie Dantes Jenseitsinsassen, denn man kann sich nicht vorstellen, wie
ein unerleuchtetes Ich plötzlich in ganz verschiedene von allem Irdischen losgelöste Sphäre hineinpassen soll.
Dies scheint einerseits, richtig verstanden, ein vernichtender Schlag gegen die Vedantavergötterung der Seele,
andererseits Entkräftung der Nichtexistenz des Ich. Wie kann etwas Illusion sein, was als Persönlichkeit den Tod
überdauert? Natürlich kann man sich eine metaphysische Erklärung dafür denken, und da die Inder alle
Erscheinungen des Spiritismus und der Telepathie seit der Urzeit kennen, so darf man nicht eher urteilen, ehe nicht
europäische Spiritisten sich mit asiatischen in genaue Verbindung setzten und von letzteren belehren lassen, was
Brahmanisten oder Buddhisten oder Schamanisten über die Geisterwelt wissen. Sobald man sich die Sachlage zu eigen
machte, daß die Hingeschiedenen ihr vorheriges Dasein fortsetzen, berührt es nicht mehr abstoßend, daß
die Spirit-Engländer immer nur von Christus und auch nie von Reinkarnation reden, da sie nach letzterer ja
überhaupt nicht gefragt werden. Diese Spirits bleiben eben im Bannkreis ihrer bisherigen christlichen Anschauung, wie
umgekehrt der Inder von Buddha und Reinkarnierung reden würde. Auch indische Lehre nimmt ja ein Interregnum zwischen
Wiedergeburten an. Wenn jetzt ein englischer Spirit bekundet, daß man aus diesem zeitlich kurzen Zwischenstand in
höhere Sphäre aufrücke, so ließe sich dieses höchstens so verstehen, daß es für ein
Bruchteil gilt, während die übrigen sich reinkarnieren müssen. Denn wodurch hätten sie Befugnisse und
Fähigkeit, sich so bald irdischen Banden zu entziehen, dauert übrigens in höherer Sphäre ihr Ich lustig
weiter? Daß es keine Hölle gibt, braucht man nicht zu versichern, doch wäre es Fegefeuer genug für die
Masse der gestorbenen Materialisten, wenn sie sich, alles Sinnlich-Körperlichen entkleidet, in eine so fremde Welt
versetzt sehen, wo nichts mehr an irdische Torheit und Gemeinheit erinnert und wo sie mit ihrem untergeordneten Verstand
nicht auskommen. Indessen scheint plötzliches Absterben sonst allbeherrschender Triebe nicht unnatürlich, denn das
Sexuale steckt in den Organen, wie Eunuchen und die meisten Greise wissen, Rang- und Geldgier in den
Gesellschaftszuständen, und wo dies alles aufhört, regieren »Hunger und Liebe« nicht mehr. Es scheint
Ausgleich genug, daß der höher Geartete sich unbewußt für seine künftige Heimat besser trainierte
und sich dort sofort glücklich einbürgert, während der Niedrige anfangs sich wie in ungewohnte Fremde verbannt
findet und sich nur schmerzhaft anpassen kann. Seine geringe Fähigkeit, im Immateriellen zu wohnen, bereitet ihn aber
sicher nicht für noch höhere Sphären vor. Er wird gleichsam nur einen Vorgeschmack der Wahrheit erhalten und
vielleicht in diesem Zwischenstand sich halbwegs wählen dürfen, wie er zur Sühne hernach wieder als
Erdenbürger erscheinen wolle. Bei Hervorragenden steht dies wohl weniger im Belieben, sondern sie müssen erneut
ihre Erdenrolle spielen, weil sie dort für bestimmte Zwecke gebraucht werden. So ungefähr darf man sich's zurecht
legen, wenn man sich damit befreundet, daß sowohl der vorläufige Spiritzustand als spätere Reinkarnierung der
Weltvernunft entsprechen. Indessen bedürfen wir viel mehr Beispiele, als Spiritforschung sie bisher lieferte.
Auffälligerweise treffen wir nirgends Erzählungen von Geistern, die überschwer auf Erden litten. Mit der
Behauptung, Leiden sei Buße für vergangene Schuld oder Erbsünde, kommt man nur aus, wenn man die Augen vor
dem Leiden relativ braver Menschen schließt, deren Wesen es unglaubhaft macht, daß ihre Präexistenz sie mit
nennenswerter Schuld belud. Sollte sich Buddha diese Lösung etwas bequem gemacht haben? Keinenfalls steht Leid stets in
genauem Verhältnis zur Schuld, Gerechtigkeitssinn mag sich damit trösten, daß materielle Unlust den
Immateriellen als unerheblich gilt und oft die »Wonne des Leids« bei unheilbar Kranken seelische Lust
vorschreibt. Auch gibt es die mögliche Erklärung: übermäßiges zum Tode führendes Leiden, wie
das Weltkrieggeschlecht es in verschiedsten Formen erfuhr, entrückt solche Opfer noch viel größern Leiden,
die sonst kausal unabwendbar wären, und schafft sie rasch in ein besseres Jenseits hinüber. Wie eine
französische

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