Der Aufgang Des Abendlandes
ist. Wenn er weiß, daß er etwas Großes machen kann, so ist er sicher, daß alle Menschen
dies anerkennen«? Diese scheußliche täglich widerlegte Fälschung braucht solche Yankeenaivität, um
einen Optimismus vorzuzaubern, den Schopenhauer verbrecherisch nannte und den wir mit Buddha belächeln:
»närrischer Mensch!« Auch die süßlich metaphorischen Kapitel über Liebe und Freundschaft
belustigen als künstliche Weltfremdheit, die, sich kindlich stellt und vorgibt, sie sehe so viel Schönes. Der Essay
»Klugheit« klingt dahin aus, daß Wahrheit, Offenheit, Mut, Liebe, Bescheidenheit alle Weltklugheit seien,
die Tugend eine Eintrittsgebühr für persönliches Wohlsein. Im gemeinten Sinne ist das wiederum rasende
Schwärmerei. Jeden Schuft und jeden Weltkenner ergötzt der Einfall, daß Wahrheit und Offenheit der
klügste Trick im Lebensgeschäft seien. Über »Heroismus« schreibt man am fröhlichsten in der
Studierstube. Den Kriegshelden leiten fast durchweg Machtmotive oder Berauschung durch fixe Ideen »Pflicht«,
»Königstreue«, »Freiheit«. Sittlich ist nur der Mut, die Wahrheit zu bekennen. Wer das in
Amerika beim Weltkrieg tat, wurde angepöbelt, eingekerkert, gelyncht. Die Amerikaner sind also ein feiges Volk, das
seinen Heroismus in Phrasentrara austobt und die bewaffneten Sendlinge von Wallstreet als Maratonier auslügt. Steht es
anderswo anders? Selbstloser Heroismus widerspricht gänzlich der Menschennatur. Wir zweifeln, ob Emerson seine Stimme
erhoben und zur Deutschenhetze nicht bloß schweigend die Achseln gezuckt hätte.
Die »Oberseele« ist Phrasenschemen ohne faßliche Substanz, denn Emerson meint nicht etwa ein
transzendentales Ego, sondern eine Weltseele, die sich mit einem Ich in Verbindung setzt. Dagegen hätten wir nichts,
doch nicht in solcher Formulierung. Die Abhandlung »Zirkel« betont das ewige Werden, das sich in immer weitern
Kreisen um den Innenpunkt Gott schwingt. (Bei ihm nicht so scharf ausgedrückt und in Rhetorik vergraben.) Doch Buddha
könnte lächeln, daß diese Zirkel eben sein rundes Rad sind, das sich gleichsam um einen toten Winkel dreht,
wir unsererseits können das Bild nur annehmen mit umgekehrter Schwingung, nämlich in immer engeren Kreisen. In
Emersons Essays über Intellekt, Natur, Kunst, Erfahrung, Charakter, gute Manieren entdecken wir unter Wortreichtum nur
Truisms oder einzelne verständige Sätze wie: »Wir erwarten eine neue Ära von neuen Lokomotiven und
Luftballons, doch stoßen dabei auf die alten Barrieren.« Der lange Erguß »der Dichter« erzeugt
ein kunstfremdes Gelehrtenideal, wonach Goethe als Verfertiger des Helenaaktes gepriesen wird, greisenhafter Allegorik. Es
kennzeichnet den Tiefstand der Europäer, daß Emersons, Carlyles, Ruskins feuilletonistische Rhetorik als
Denkoffenbarung gefeiert wurde. Selbst hier ist Dekadenz, gemessen an Früherem, auch Herbert Spencer ein trauriger
Abfall. Diese Äußerungen über den von deutschen Phrasenseligen verhimmelten Yankeepropheten bedeuten keine
Abschweifung, sondern betonen, daß bei Breittreten des Ichgeists und Ichwillens immer nur verwerflicher leicht
widerlegbarer Optimismus unklaren Denkens herausschaut. Buddha, dem Leben gegenüber Pessimist, dem Dhamma gegenüber
Optimist, behält recht, sobald man seine Seelenverneinung auf das Ich beschränkt und für die befehdete
Vedantalehre, die einseitig zu weit ging, doch ein Residuum des Seelenbegriffs im Unbewußten offen läßt.
Hier tritt Myers »menschliche Persönlichkeit« als notwendige Ergänzung ein, das subliminale Selbst, und
dem Buddha erwächst ein seltsamer Widersacher in der neusten Erweiterung des Spiritismus. Es sähe sogar so aus, als
ob damit seine Karmalehre zusammenbreche.
Die durch den Weltkrieg geborene Bewegung in England, siehe Lodges »Raymond«, Wynns »Ruppert
lebt«, Hills »psychische Untersuchungen«, Balfours »Ohr des Dyonisus«, Baretts »Schwelle
des Unsichtbaren«, Crawfords »Wirklichkeit der psychischen Phänomene«, Connan Doyles »neue
Offenbarung«, bringt das Geisterreich überraschend näher. Die Beweiskette ist so stark, daß man wohl
oder übel glaubt, was die Geister über ihren Zustand aussagen. Danach leben sie als Astralkörper weiter, nach
Belieben in ihrer oder der Erdsphäre in Nähe von Angehörigen und Freunden, denen sie zu helfen sich bestreben.
Daß sie unter Verlust alles Rohmaterials (Sexuelles, Mammon, Rangunterschiede) sonst ganz wie vorher als
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