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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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es ist absurd, daß Blutzirkulation eine geistige Welt erzeugt, welche Blutmystik wieder nur ins
Unbegreifliche führen würde, obendrein physiologisch falsch, dagegen umgekehrt richtig, daß psychische
Bewegung vom Gehirn aus die Blutmaschine in Bewegung setzt. Dem Blut kommt nur die Funktion der Ernährung zu für
etwas außer ihm Seiendes, nämlich das unsichtbare Gehirnleben. Organisches Nervensystem speist sich mit
selbsterzeugtem Blut auf Befehl der Psyche, der Begriff Mechanik reicht selbst hier nicht aus. Auf so schwachen
Füßen steht jede Kraftstoffelei, übrig bleibt nur, daß eine apriorische Psyche des Blutes, d.h. der
Materialisierung bedarf, um Ichbewußtsein zu bilden. Daß Hirnnerven das Blut bewegen, lehrt die einfachste
Empirie: Gemütsbewegung steigert oder hemmt die Herztätigkeit, was aber umgekehrt nur das physische Wohlsein
beeinflußt, nicht im geringsten den Stand der Psyche. Daß ein Körper ohne psychische Bewegung lebt, ist
ausgeschlossen, dagegen ganz denkbar, daß eine Psyche ohne Körper lebt. Doch wenigstens ihr Ichbewußtsein
scheint zweifellos ans Körperliche gebunden, wie kann es also im Spirit ohne Blutzirkulation weiterdauern? Handelt es
sich vielleicht um ein Gesetz des Entgegenkommens, in dem Natur oder Allseele ein dem Ich verständliches Sinnbild der
Fortdauer darreichen? Das braucht sich keineswegs mit Wirklichkeit jenseits des Ich zu decken. Relativitätstheorie wird
auch hier am Platze sein, jede Spiritmanifestierung entspricht dem empfangenden Ich, dem dabei das Unbewußte zeitweilig
unvollständig zu Hilfe kommt. Das Weltreich der Illusionen scheint von Realität nicht zu trennen, alles ist
Illusion und alles ist Realität, alles subjektiv und alles objektiv, Spirit und Ich sind gleich real, beide illusorisch
dem Bewußtsein angepaßt. Doch Flüchtigkeit des Ich als Sinnbild des Selbst und des Spirit als Sinnbild des
Jenseits beeinträchtigt nicht, daß hinter Sinnbildern ein Etwas, unter »Werden« ein
»Dasein« steckt.
     

6. Der Ursprung der Religion.
     
     
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    Gott hat uns verlassen!« soll Ludendorff in einer Kirche ausgerufen haben, jedenfalls kennzeichnet dies die naive
Oberflächlichkeit gedankenloser »Religiosität«. Wenn es uns schlecht geht, hat uns Gott verlassen.
Indessen gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder ist Gott und dann »verläßt« der
notwendigerweise Allgerechte nichts und niemanden, oder er ist nicht und dann kann er uns auch nicht »verlassen«.
Ohne ihn aber wird jede moralische Weltordnung zur Chimäre und ein Idealist müßte sich ohne weiteres zum
Selbstmord entschließen, da der Anblick einer entgötterten mechanischen Welt das Bewußtsein zu einer
Hölle macht und jede Hoffnung auf Gerechtigkeit aufhebt. Denn da die durchschnittliche Menschennatur auf nacktem
Egoismus beruht und die allermeisten Schufte würden, wenn sich ihnen die Gelegenheit zu schuftigem Vorteil bietet, so
müßte der kleine Prozentsatz von ethisch Veranlagten geradeso als ein krankhaftes Naturspiel betrachtet werden wie
die kleine Rasse der Genialen, die mitten zwischen die Mittelmäßigkeit hineinschneit. Es muß immer wieder
betont werden, daß diese doppelte Auslese nie auf mechanischem Wege erzielt werden konnte und nur durch das
Karmagesetz, d. h. individuelle Entwicklung der Wiedergeburten erklärbar wird. Denn die Phrase Evolution war nur der
letzte Strohhalm, an den sich der ertrinkende Unglaube an transzendente Leitung klammerte. Selbst wenn der Darwinismus
zoologisch richtig und beweisbar wäre, so hülfe er uns rein gar nichts zur Deutung der Menschheitsgeschichte. Denn
so wenig die anthropoiden Affen jemals, wie wir sie geschichtlich seit Ägyptens und Indiens uralter Zeit kennen,
irgendwelche Neigung spürten, ihren Zustand zu verändern und sich ihren Menschenvettern anzupassen, ebenso wenig
zeigte der Mensch sich fähig, seine Psyche zu verbessern.
    Ob sein rudimentärer Schwanz einschrumpfte, ihm vor Zeiten eine Rippe fehlte, seine Kinnbacken hervor und seine Stirn
zurücktraten, sein Knochengerüst des Beins sich erst später straffte und seine anschwellende Gehirnmasse die
Ganglien des Rückenmarks derart stärkte, um ihm allmählich aufrechten Gang zu gestatten, all diese
Vorgänge liegen so fern, daß sie nur naiven Superklugen als irgendwie dokumentiert gelten. Die spärlichen
Skelettfunde besagen an sich nichts, denn dies könnten ja zufällige Überbleibsel individueller Einzeltypen
gewesen sein.

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