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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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anzuweisen. Wie dieser bisher
erschien, kann er nur eine Seite des Transzendentalen bedeuten, nur eine Stufe der Jakobsleiter, die ins Allerheiligste
führt. Im Grunde meinte Buddha nur, daß für das illusorische Ich der Seelenbegriff untauglich und alles
Spekulieren müßig sei, weil alles jenseits des Bewußtseins unerforschlich bleiben müsse. Dies war sein
Amt als praktischer Heilslehrer. Doch lehrte er nicht zugleich, wie der Mensch durch Selbsthypnose gleichsam sein
eigentliches Selbst entdecke, d.h. seine wirkliche Seele finde? Indem er streng rationalistisch Ich und Dasein im Wechsel und
Werden auflöste, mündet sein Nirwana gleichwohl genau in die Vedanta. Zwischen Upanischaden und buddhistischen
Bekenntnissen besteht volle Übereinstimmung der Aussage. Zu guter Letzt kann sich Buddha wirklich nicht dem Einwurf
entziehen, daß er selbständige Psyche ganz im Sinne materialistischer Psychologie leugnet und dennoch dem
flüchtigen Ich selbständige Befreiungskraft zuweist, sich zu Dauerndem und Positivem zurückzufinden. Nur
übersieht die Kritik, daß er dies als rein naturgesetzlich auffaßt, sobald das Ich einmal auf den richtigen
Pfad des Heils instradiert sei. Doch warum läßt es sich auf diesen Pfad leiten? Dafür setzt Buddha die
Vorbereitung der Wiedergeburten ein, doch auch dies Kausalgesetz bestätigt die Selbstbestimmung eines geheimen Selbst
und tastet nicht ständiges »Dasein« einer Seele an, da »Werden« doch nur dem Ich zukommt. Jede
als fester Religionskult erstarrte Lehre verfällt dem Fluch, der christlichem Kirchentum den Garaus machte, daß
die Anhänger sich willenlos an das Wort binden, einmalige Offenbarung einer Wahrheit. Buddha war für sein Zeitalter
und indisches Milieu um so mehr berechtigt, apodiktisch und kanonisch zu lehren, als die Praxis ihm bis heute Recht gibt,
d.h. durch ihn bis heute Milliarden Menschen das Heil fanden. Doch die Richtigkeit seiner Mittel beweist noch nicht das
Absolute ihrer philosophischen Begründung. Käme er heute wieder und gar als Europäer, so würde er wohl
anders sich ausdrücken. Späterer esoterischer Buddhismus der Geheimlehre (Blavatzky) nahm erneut die Vedanta in
sich auf und muß betont werden, daß Spiritismus sich noch eher mit Vedanta und am meisten mit christlicher
Kirchenanschauung vertrüge, da letztere das Fortbestehen des Ich voraussetzt. Doch gerade dies macht den christlich
abgestempelten Spiritismus verdächtig, nicht bezüglich seiner eigenen Ehrlichkeit und anscheinenden Richtigkeit
seiner Enthüllungen, sondern bezüglich seiner subjektiven Beschaffenheit. Zu auffällig bleibt hier
gegenseitiges Wechselverhältnis von Frage und Antwort, von Spiritaussage und menschlicher Entgegennahme. Wer übt
hier Gedankenübertragen, Spirit oder Mensch, oder sind beide nicht zu trennen, so daß die Geisterwelt des
Engländers anders wäre als die des Franzosen? Das wäre an sich nicht unnatürlich, würde aber
mindestens halbe Subjektivität des Phänomens beweisen.
    Moltkes vertraute Nichte versichert, sie habe lange im täglichen Verkehr mit dem Verstorbenen gestanden, der selber
oft die Nähe seiner verstorbenen Frau zu spüren glaubte. Vor dem Weltkrieg habe er plötzlich gesagt:
»Ich komme nicht mehr, muß weiter reisen.« Auch geht die Sage, zwei Offiziere hätten ihn zur Stunde
seines Todes aus dem Generalstabsgebäude treten sehen, die Wache präsentierte. Also ein astraler Spaziergang von
Emmaus?! Das deckt sich mit andern Überlieferungen, wonach Leute an der Stelle ihres Wirkens in ihrer Todesstunde
sichtbar bemerkt wurden oder Nahestehenden, an die sie beim Sterben dachten, greifbar erschienen. Was soll man dazu sagen? Wo
hört hier das Subjektive auf und beginnt das Objektive oder sind beide eins, die Astralspiegelung und der Schauende oder
Hörende?
    Im überaus geistreichen, daher wenig bekannten Humoristenbuch »Der Professor am
Frühstückstisch« des Bostoniers O. W. Holmes stoßen wir auf den gelegentlichen Einfall, Gedanken seien
so unzählig wie Blutkörperchen. Daraus könnten wir unsererseits ableiten, daß jeder Gedanke sich als
Blutkörper, jeder Blutkörper als Gedanke darstellt und daß sie in Wechselbewegung stehen. Da folgert der
Materialist: weil Gedanken aufhören, sobald Blutkörper nicht mehr rollen, so zerstört Tod das Psychische mit
dem Physischen. Genau mit gleichem Recht sagen wir: weil die Gedanken sich nicht mehr bewegen, hört die Blutzirkulation
auf. Denn

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