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Der aufrechte Soldat

Der aufrechte Soldat

Titel: Der aufrechte Soldat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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gestern sei sie sogar bis zu den Kiesgruben gegangen (von denen ich mir kein Bild machen konnte).
    Das alles hinterließ in meiner Brust das Gefühl einer seltsamen Art von Einsamkeit. Denn ich schrieb ihr niemals. Ich hatte ein Telegramm geschickt, als wir in Kanchapur eingetroffen waren, damit die Familie wußte, daß unser Konvoi auf seiner Fahrt nach Indien nicht gesunken war; seitdem hatte ich keine Zeile mehr schreiben können.
    Damals konnte ich nicht entscheiden, ob man dies als trauriges Versagen ansehen mußte oder als ein sicheres Anzeichen für einen abgrundtief bösen Charakter. Ich fing an, wirklich unfähig zu sein, meine Eindrücke von Indien mitzuteilen, und die Armeetradition unterstützte diese Schwäche noch, denn junge Männer, die nie nach Hause schrieben, wurden als »Hunde« betrachtet, wohingegen Typen wie Jackie Tertis, der ständig nach Hause schrieb, als weich galten.
    Daher bewirkte jeder Brief meiner Mutter, daß ich mich mies fühlte. Manchmal machte sie mir Vorwürfe, dann war ich traurig und hatte ein schlechtes Gewissen; aber wenn sie schrieb – wie jetzt –, ohne mir einen einzigen Vorwurf zu machen, war die Wirkung noch schlimmer, denn nun machte ich mir die schlimmsten Selbstvorwürfe.
    »Mein Gott, ich darf nicht ein so schlechter Kerl sein«, sagte ich mir, während ich mich über das Mittel zum Weißen beugte, und erlebte eine plötzliche Wiederkehr kindlicher Gedanken, die durch den Brief hervorgerufen worden war, den ich schlechten Gewissens in meine Tasche gestopft hatte. »Was Mama wohl von mir denkt? Ich darf heute abend nicht auf Sauftour gehen, ich darf es wirklich nicht …«
    Der verdammte Rusk schlurfte vorbei, seinen Kumpel im Schlepptau, einen gemeinen Burschen mit schartigen braunen Zähnen. Sie waren unterwegs zum Küchenzelt.
    »Servierst du gleich wieder Bohnengemüse, Rusk?« rief ich.
    »Redest du schon wieder Scheiß, Stubbs? Jetzt, wo du deine Streifen zurückbekommen hast? Erst mußt du mal in vorderster Front gewesen sein!«
    »Ich vermute, du holst dir heute abend im Kino wieder eine Ladung Betty Grable?« rief Locke.
    Sie setzten ihren Weg zum Küchenbau fort, ohne sich umzudrehen, während sie sprachen.
    »Du weißt ja, was du mit Betty Grable tun kannst, Locke!«
    »Aber mit Betty Grable erst nach dir!«
    »Ihr könnt sie heute abend haben. Ich bin sowieso nicht in diesem Nest, heute abend.«
    Das brachte Rusk dazu, sich doch noch umzudrehen. »Dreckiger Bastard!« rief er anerkennend.
    Warum, fragte ich mich, warum mußte ich versuchen, grauenhafte Scheißer wie die beiden Köche zu beeindrucken? Ich hatte da einen schwachen und boshaften Zug in meinem Charakter. Angenommen, ich fing mir heute abend eine Portion Pocken ein? Das bedeutete, daß die gute alte Regenschirmtherapie angesagt war, von der die furchtbarsten Schilderungen unter den Mendips kursierten. Und sie hauten einem mit dem Stempel das Wort »Syphilis« auf die Entlassungspapiere, damit alle späteren Arbeitgeber gewarnt seien; jedenfalls behauptete Aylmer, daß es so geschah. Dennoch hatte ich noch einen langen Streifen Dienst vor mir – ich konnte doch wohl nicht erwarten, mir während der gesamten »Sieben und fünf« meine Unschuld zu bewahren, oder etwa doch?
    Und es war nicht nur eine richtige Sause, die ich brauchte. Es war Romantik. Es war, wie ich es einmal von einem alten Soldaten sehr poetisch ausgedrückt hör te, das Kennenlernen des Landes durch das Auge im eigenen Schwanz. »Die unbekannte Sie« – das war es, was ich wollte, einen Einblick in das reizvoll-abstoßende Leben Indiens.
    Das Gesicht erschien wieder vor mir, blickte mich zwischen eisernen Gitterstäben an. Der glühende Körper, der Spalt wie rosiges Marzipan, die dunklen, schmelzenden Augen, die gerade Nase, der kleine Mund, der Ausdruck – ja, von was? Von Sehnsucht? Irgendwo dort draußen mußte die Frau sein, deren Sehnsüchte meinen entsprachen. Vielleicht konnte sie gefunden werden, die se unbekannte Sie, auch hinter den Mauern eines Bumsschuppens.
    Mit ähnlich hoffnungsvollen Gedanken, begleitet von einem sachten Rühren in der Hose, marschierte ich gegen sieben Uhr dreißig zur Transportabteilung.
    Di Jones war bereits dort. Die Umgebung war verlassen, die Büros und Garagen waren allesamt geschlossen, die Fünftonner standen makellos aufgereiht da, mit genau gleichem Abstand – bis auf einen Laster, dessen Motor lief. Ein kleiner hellblonder Schotte, den ich als Jock McGuffie erkannte, polierte

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