Der aufrechte Soldat
auch noch die Itakermädels flachlegen dürfen!« sagte Enoch. Das war ein todsicheres Thema. Und ich stimmte in den Chor mit ein, den wir schon nach wenigen Wochen in Indien auswendig konnten.
»Die kriegen die Zigaretten aus England runtergeflogen und die Rationen und das Bier von den Yankees. Kein Wunder, daß sie dort festhängen, wo sie gerade sind – die sind doch viel zu besoffen, um zu kämpfen!«
»Und wenn du in Italien verwundet wirst, dann fliegen sie dich zurück in die Heimat – nicht in diesem beschissenen Burma. Du kannst in Burma abkratzen, aber glaubst du, daß jemand sich zu Hause darüber den Kopf zerbricht? Nee, und nochmal nee!«
Page lehnte sich imposant über den Tisch. »Da sagst du was. Wißt ihr, was Lady Astor im Parlament von sich gegeben hat? Daß jeder Kerl, der im Osten gedient hat, ein gelbes Abzeichen tragen sollte, wenn er wieder in die Heimat zurückgekehrt ist.«
»Was, auch die Offiziere?« fragte Enoch.
»Nein, du Bauerntrampel, keine Offiziere – die Soldaten! Für den Fall, daß sie die Pocken hatten.«
»Und Churchill hat sicherlich in die gleiche Kerbe gehauen, da möchte ich fast wetten. Die beiden hängen doch zusammen, als hätten sie ein dickes Ding gedreht. Sie geht doch in Chequers ein und aus, als wäre es ihre eigene Hütte! Meint ihr denn, Churchill macht sich wegen der 14. Armee in die Hose?«
Zum erstenmal machte Wally ein besorgtes Gesicht. »Ich schätze, die haben uns zu Hause längst abgeschrieben, darauf könnt ihr Gift nehmen.«
»Natürlich haben sie das – das kann dir jeder sagen! Frag doch mal einen von den Typen, die aus Mandalay rausgekommen sind – die werden’s dir schon erklären. Deshalb haben sie ja auch unsere ganzen Landefahrzeuge eingezogen! Wir sind eine vergessene Armee!«
Das war der magische Ausdruck, der durch ständige Wiederholung immer überzeugender wirkte und so viel Bitterkeit enthielt: eine vergessene Armee. Indem wir unser hartes Leben bejammerten, blieb meine abendliche Unternehmung weiterhin meine Privatangelegenheit.
Die Kantine füllte sich jetzt. Weitere Männer von unserer Gruppe versammelten sich an unserem Tisch, balancierten die Biergläser durchs Gedränge und zündeten sich Zigaretten an. Bald redeten wir nur noch von der Art und Weise, wie man uns die Landefahrzeuge weggenommen hatte; es wurde allgemein als persönliche Beleidigung angesehen. Nur Carter äußerte dazu eine andere Meinung.
»Es hat überhaupt nichts mit Indien oder Burma zu tun, wenn sie die gesamte Marine von diesem Kriegsschauplatz abziehen. Ihr Kerle begreift einfach nicht, daß wir mitten in einem Imperialistenkrieg stecken. Sie sammeln so viele Schiffe wie möglich rund um Europa, und dann, wenn Hitler geschlagen ist, greifen die Alliierten Rußland an!«
Nur Enoch meinte, daß das durchaus möglich sei. Der Rest blieb bei seiner Auffassung, daß wir geopfert wurden. Irgendwie war Indien an allem schuld; Indien mußte für alles herhalten. Und so landeten wir wieder bei den vertrauten Themen wie Ameisen, Schlangen, Geier, Hitzepickel und Dreck.
»So schlimm ist es doch gar nicht«, meinte ich.
»Du spinnst ja, Stubbs! Wir wissen alle, daß du mit den Eingeborenen rummachst!« schimpfte Wally. »Du wärst doch lieber in Kanchapur stationiert als in London!«
»Stimmt, ich wäre lieber in Kanchapur als auf der verdammten Ebene um Salisbury!«
Das Gelächter deckte mich regelrecht zu. Ich sah mich nach Unterstützung um. Bamber stand friedlich hinter uns, nuckelte an seinem Bier und sagte gar nichts. Seine Ärmel waren hochgekrempelt und entblößten das Durcheinander von Tätowierungen auf seinen Armen.
»Es gibt doch schlimmere Orte als Kanchapur, Bamber, oder meinst du nicht?«
»Alle Länder sind gleich«, sagte er. »Es gibt überhaupt keine Unterschiede zwischen ihnen, wenn man sie erst einmal richtig kennengelernt hat. Ist doch völlig egal, wo man ist. Ein Ort ist genauso gut wie der andere.«
Aber für die meisten von uns, die Bambers Erfahrungen nicht hatten, war es schon äußerst wichtig, wo wir uns aufhielten.
Die Gerüchte und Ängste machten sich wie der allgemeine Staub in unserem Lager breit. »Sie werden schon bald abziehen, Sahib«, erklärte Ali mir, als ich mir meine morgendliche Tasse Tee von ihm holte. »Sechs Tage noch, sieben vielleicht, und alle Männer gehen, und neue kommen nach Kanchapur.«
»Ich dachte, wir sollten hier draußen was vom Krieg mitbekommen. Wo geht’s denn hin, Ali?«
»Japaner
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