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Der Aufstand

Der Aufstand

Titel: Der Aufstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean McCabe
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der Rückseite von Finchs kahlem Schädel reflektiert wurde, stellte Dec sich vor, wie er ihm das Kreuz mit voller Wucht über den Kopf zog.
    Töte den Lakaien zuerst und mach dich dann über die restlichen Schweine her.
    Tu es für Kate.
    Finch ging weiter über einen gewundenen Pfad, der vom Rasen weg durch die Bäume auf ein dunkles, windschiefes Gebäude zuführte, das wie ein alter Schuppen oder eine Gartenhütte aussah. Er öffnete knarrend die Tür und trat ein. Dec verlor ihn ein paar Sekunden lang in der Dunkelheit aus den Augen und blinzelte verzweifelt auf der Suche nach ihm. Dann erfüllte ein weicher Lichtschein die Hütte, als Finch mit einer Petroleumlampe wieder in der Tür erschien.
    Dec duckte sich hinter einen Strauch und schaute durch die offene Tür zu, wie Finch die Laterne auf einen Tisch stellte, bevor er sich bückte und etwas aus einem Karton holte, der auf dem Boden stand. Es war eine Art Paket, eingewickelt in Papier wie eine Portion Fish and Chips. Atemlos schaute Dec zu, wie der Mann es vorsichtig auswickelte, mit einer Hand hineingriff und die Hand dann an den Mund führte. Finch war also in die Hütte gegangen, um zu essen.
    Perfekt, dachte Dec. Während der Dreckskerl abgelenkt war, konnte er sich an ihn heranschleichen und ihm den Schädel einschlagen.
    Dec näherte sich.
    Finch bemerkte ihn nicht.
    Dec ging noch ein Stückchen weiter.
    Finch aß leise schmatzend weiter.
    Nur noch ein paar Schritte. Dec hob das Kruzifix wie eine Axt. Sein Herz pochte wie verrückt, und er musste sich sehr zusammennehmen, um seinen Atem unter Kontrolle zu halten.
    Dann sah er plötzlich, was der Mann da in sich hineinstopfte, und erstarrte entsetzt.
    Das war kein Stück Fisch, sondern der Arm eines Kleinkinds. Blau, fleckig, abgetrennt oberhalb seines von Grübchen durchzogenen kleinen Ellbogens. Finch nagte genüsslich am Knochen und saugte und schlürfte und stöhnte vor Wonne.
    Dec spürte nicht einmal, wie ihm das Kruzifix aus den Fingern glitt. Im nächsten Augenblick rannte er auch schon wie ein Wahnsinniger aus der Hütte und über das Gras.
Wo war die Mauer? In welcher Richtung?
Zweige knackten unter seinen Füßen, und kahle Äste peitschten ihm ins Gesicht, während er panisch vorwärtstaumelte.
    Dann hörte er eine Stimme und erstarrte. «Hallo, Declan.»
    Sehr langsam drehte er sich um.
    Er kannte diese Stimme.
    Sie kam geschmeidig auf ihn zu. Sie trug ein langes weißes Kleid, das in der Dunkelheit wie ein Leichentuch aussah.
    «Ich wusste, dass du kommen würdest», sagte sie leise.
    «Kate?» Er rang erstaunt nach Luft. Das war sie … und auch wieder nicht.
    Er hatte sie noch nie so gesehen. Der dünne weiße Stoff schmiegte sich an jede Rundung ihres Körpers, als sie in eine mondbeschienene Lücke zwischen den Bäumen trat. Er sah, dass sie unter dem Tuch nackt war.
    «Aber du bist doch tot!»
    «Ich bin nicht gestorben», flüsterte sie ihm zu. «Meine Mutter hat das nur erfunden, um uns zu trennen.»
    Sie war so schön, dass er nicht aufhören konnte, sie anzustarren.
    «Küss mich, Declan», forderte sie ihn auf und öffnete den Mund.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 48
    Fünfzehn Kilometer von Dornoch im schottischen Hochland
    22.41  Uhr
    D er Tageskilometerzähler der Hayabusa überschritt gerade die 700 , als Joel den holprigen Pfad zwischen den Bäumen hochfuhr. Ein Fuchs rannte weg, als sein Scheinwerfer das Dickicht aus Disteln und Brombeergestrüpp durchdrang. Hinter einer Wegbiegung kam das ziemlich heruntergekommene Häuschen in Sicht. Er kämpfte gegen den Drang an, zu wenden und die ganze Strecke zurückzufahren.
    Joel stellte das Motorrad im ehemaligen Vorgarten ab, schaltete den Motor aus und stieg mühsam von dem Sattel, steif und verspannt und durchgefroren bis auf die Knochen von der langen Fahrt. Aber nicht nur wegen der Kälte lief ihm ein Schauder über den Rücken. Schon die bloße Tatsache, wieder hier zu sein, machte ihm Angst.
    Er nahm den Helm ab und blickte sich um. Als er das letzte Mal hier gewesen war, hatte das Häuschen noch auf einer Lichtung gestanden. Nun aber, nach zwanzig Jahren der Vernachlässigung, hatte der Wald sich das Gelände zurückerobert. Die nackten Zweige strichen im kalten Wind über das Dach und kratzten an den ehemals weißgekalkten, nun aber dick mit Moos überwucherten Wänden, und über die meisten Fenster war mittlerweile Efeu gewachsen. Lange starrte Joel auf die Haustür, die noch immer zersplittert war, nachdem der

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