Der Aufstand
anderen Grund dafür, dass es das bewirkt, was es bewirkt. Aber als guter Christ fühlte Ninian sich verpflichtet, den Felsbrocken in ein religiöses Symbol umarbeiten zu lassen. Das war wohl die einzige Möglichkeit, es seinen Schäflein verständlich zu machen.» Er blickte Alex stirnrunzelnd an. «Womit haben wir es hier eigentlich zu tun?»
«Ich weiß es wirklich nicht», erwiderte sie. Joel hatte den Eindruck, bei ihr einen leicht nervösen Unterton herauszuhören. Er ließ den Zeigefinger über eine der zeichnerischen Darstellungen des Artefakts durch seinen Großvater gleiten. «Wenn der Felsbrocken nur etwas größer als ein Menschenkopf war, kann das Kreuz auch nicht allzu groß sein. Vielleicht dreißig Zentimeter. Die Frage ist nur: Wo ist es dann hingekommen?»
«April 1975 . Da ist Ihr Großvater nach Venedig gereist», sagte Alex. «Sieht ganz so aus, als habe er es bis dahin verfolgen können. Aber hat er es tatsächlich gefunden?»
«Er war anscheinend nahe dran», meinte Joel. «Aber gefunden hat er es nicht. Vielleicht hatte er vor, die Suche nach ihm eines Tages wieder aufzunehmen …» Er seufzte. «Ich wünschte, er hätte mir mehr über seine Arbeit erzählt. Ich war damals noch ein Kind, und meinem Vater gefiel es gar nicht, wenn der alte Mann versucht hat, mit mir über solche Dinge zu reden. Sie hatten deswegen immer wieder Streit. Und dann … dann ist es passiert, und es war zu spät.»
Alex lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Die Sonne senkte sich bereits allmählich auf die Londoner Skyline. Vom Fluss her wehte ein kalter Wind, der ihr das Haar vors Gesicht blies. Sie schob es nachdenklich zur Seite.
«Tut mir leid, dass Sie vom Dienst suspendiert wurden», sagte sie. «Aber wie Sie schon sagten, haben Sie dafür jetzt jede Menge Zeit.»
«Das ist aber auch schon so ziemlich alles, was ich habe», erwiderte er.
«Sie wollen dieses Kreuz unbedingt finden, nicht wahr?»
«Mir bleibt gar keine andere Wahl.»
«Wie wär’s dann mit einem kleinen Ausflug nach Venedig?»
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Kapitel 54
E s wurde bereits dunkel, als Alex mit ihrem Jaguar schleudernd auf den Parkplatz von Schuessler & Schuessler einbog und sich auf den Weg in den obersten Stock machte. Rumble besprach in seinem Büro gerade etwas mit Xavier Garrett, als sie, ohne anzuklopfen, hereingeplatzt kam. Beide Vampire drehten sich zu ihr um, während sie auf Rumbles Schreibtisch zuging.
Sie wies mit dem Daumen auf die Tür. «Verschwinden Sie, Garrett. Ich muss Harry etwas erzählen.»
Garrett schaute Rumble an, und der nickte ruhig. Mit finsteren Blicken in Alex’ Richtung verließ Garrett den Raum.
«Ich höre», sagte Rumble, und Alex verbrachte die nächsten fünf Minuten damit, ihm von ihrem Treffen mit Joel Solomon zu berichten.
«Die Regeln des Verbands verbieten ausdrücklich jede Verbrüderung mit Menschen», warnte Rumble sie. «Und Sie wissen am besten, welche Strafe darauf steht.»
«Dann ist es höchste Zeit, mal eine Ausnahme von der Regel zu machen. Schließlich wüssten wir ohne diesen Menschen bis heute nicht, dass Stone sich in einem Herrenhaus bei Henley-on-Thames namens Crowmoor Hall versteckt.»
Rumble starrte sie entgeistert an. «Wie hat dieser Solomon das herausgefunden?»
«Erinnern Sie sich noch an diese Halloween-Party? An den Jungen, der glaubte, Vampire gesehen zu haben? Er hat sich das nicht nur eingebildet.» Sie setzte sich auf die Kante von Rumbles Schreibtisch. «Das ist unsere Chance, Harry, und ich denke, wir sollten versuchen, sie zu nutzen.»
«Und wie sollen wir das anfangen? Etwa das Haus stürmen? Haben Sie schon vergessen, dass das die Leute sind, die uns genug Nosferol gestohlen haben, um jeden Vampir auf unserem Planeten zu vernichten? Sie haben das ganze Zeug – und wir fast nichts mehr. Ich würde sagen, das Gleichgewicht der Kräfte hat sich ein bisschen zu ihren Gunsten verschoben. Und Sie wollen da reinmarschieren wie Rambo.»
«Ich meinte doch nicht sofort», erwiderte sie ungeduldig. «Sondern erst, wenn ich aus Venedig zurück bin.»
«Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Wozu wollen Sie nach Venedig?»
«Weil Joel Solomon glaubt, dass dort das Kreuz von Ardaich zu finden ist.»
Eine lange Pause trat ein. Rumble schob seine Brille die Nase hoch und starrte sie unverwandt an.
«Ich habe jetzt keine Zeit, alles zu erklären, Harry. Ich tue das, wenn ich zurückkomme. Aber jetzt müssen Sie erst einmal ein Spesenkonto für mich einrichten,
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