Der Aufstand
alles ganz informativ. Aber was ist mit dem Kreuz?» Er nahm ihr das Notizbuch aus der Hand. «Es wird allmählich kalt hier draußen. Möchten Sie nicht lieber reingehen?»
«Mir gefällt’s hier.»
Joel öffnete das Notizbuch an der Stelle, wo die Entstehungsgeschichte des Kreuzes und die Reisen des rätselhaften Ringan beschrieben waren. «Wer war Ringan?»
«Auf diese Frage habe ich auch keine Antwort», erwiderte sie. «Und ich nehme an, dass auch Ihr Großvater es nicht wusste. Sehen Sie – hier hat er in Klammern nach dem Namen ein ‹N› gesetzt, mit Fragezeichen. Wer war ‹N›? Gute Frage.» Sie wühlte in der Tasche ihrer Jeans und holte ein BlackBerry heraus.
Joel musste unwillkürlich lächeln, als sie eine Google-Suche startete und auf den winzigen Tasten den Namen «Ringan» eintippte. Die Intensität, die diese Frau ausstrahlte, gefiel ihm. Er war froh, zu ihr gekommen zu sein. Sie hatte dasselbe durchgemacht wie er und war somit vertrauenswürdig.
Alex schüttelte den Kopf. «Ringan taucht hier massenhaft auf, aber nicht der, den wir suchen – außer, er war das Kind eines Popstars oder eine Art indianischer Rezeptur.»
«Versuchen Sie es doch mal mit ‹Ringan Schottland›.»
«Okay.» Sie tippte es ein und scrollte. «Nichts.»
«Mist.»
«Warten Sie. Hier ist etwas. Von der Royal Commission of Ancient and Historical Monuments of Scotland. Es gibt eine St. Ringan’s Chapel, in Stirlingshire.» Sie las laut vor. «Eine alte Kapelle, genannt St. Ringan’s, in der 1645 die Opfer der Pest begraben wurden. Von der 1497 errichteten Kapelle sind keinerlei Überreste mehr vorhanden.»
«Das bringt uns auch nicht weiter», meinte Joel. «Wir suchen nach etwas wesentlich Älterem. Mein Großvater sagte fünfzehntes Jahrhundert.»
«Sie haben recht. Warten Sie. Sehen Sie sich das mal an.»
Joel rutschte auf den Rand seines Stuhls vor. «Haben Sie noch etwas gefunden?»
«Ein anderer Name für St. Ringan’s Chapel ist St. Ninian’s Chapel.»
Er schaute sie an. «Ninian. Das ‹N› in Klammern.»
«Lassen Sie mich ein bisschen tiefer graben.» Alex drückte noch ein paar Tasten auf dem BlackBerry und lächelte dann. «Hier. ‹In Schottland ist Ninian auch unter dem Namen Ringan bekannt.› Derselbe Typ. Nichts gegen Wikipedia. Und jetzt –»
Angespannt verfolgte Joel, wie sie die einzelnen Schritte der Recherchen nachvollzog, die sein Großvater Jahrzehnte zuvor angestellt hatte.
«Also gut», verkündete sie voller Tatendrang, «dann können wir jetzt anfangen, die Lücken zu füllen. Nach allen drei Websites, in denen ich gerade nachgesehen habe, wurde Ninian der Legende nach schon lange vor seiner Seligsprechung im fünften Jahrhundert von St. Martin nach Schottland geschickt mit dem Auftrag, den Pikten, aus denen später die Schotten hervorgingen, das Christentum zu bringen. St. Martin gab ihm eine Gruppe von Steinmetzen mit auf den Weg, damit sie dort seine Kirche errichteten.»
Joel sah sich noch einmal das Gekritzel auf der Rückseite der Karte an. «Dann trifft also Ninian auf seiner Reise diesen heiligen Mann –»
«– der ihm den Felsbrocken anvertraut, der, wie er Ninian erklärt, über magische Kräfte verfügen soll. Ich weiß nicht, ob Ninian ihm damals geglaubt hat, aber anscheinend bekam er Gelegenheit, sich selbst zu vergewissern, als Einheimische ihn um Hilfe baten wegen ihrer Probleme mit den
Baobhan sith
.»
«Das klingt, als wüssten Sie, was ein
Baobhan sith
ist», merkte er an.
«Raten Sie mal.»
«Ein Vampir?»
«Richtig. Man nannte sie auch ‹Die weißen Frauen des Hochlands›. Sie schlüpften in die Gestalt schöner junger Frauen, die Männer verführten, indem sie sie zum Tanzen aufforderten und an einen abgeschiedenen Ort lockten, um anschließend ihr Blut zu trinken.» Alex lächelte.
«Was ist daran so lustig?», fragte er.
«Nichts. Ich musste nur gerade an etwas denken.»
Joel konnte ihren Blick nicht deuten und schaute wieder auf das Notizbuch. «Dann besaß dieser Felsbrocken also angeblich Kräfte, die gegen diese Vampire halfen. Und als Ninian gesehen hatte, was er bewirken konnte, ließ er von einem der Steinmetze ein Kreuz daraus hauen. So hat jedenfalls mein Großvater die Geschichte gedeutet.» Er hielt inne. «Was wohl den Schluss zulässt, dass die Macht, die von dem Kreuz ausgeht, nichts mit der Macht Gottes zu tun hat – von wegen, die Kräfte des Guten wehren böse Geister ab oder so. Es gibt offenbar einen
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