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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Isherwoods Stimmung: mal regnerisch mit großen Tropfen, mal bläßliche weiße Wintersonne zwischen grauen Wolkenbergen. Nur der Wind war beständig. So starker Wind, daß Isherwood Mühe hatte, den kleinen Ford Escort auf der Straße zu halten. Er aß sein Mittagessen am Steuer und hielt nur dreimal: einmal, um zu tanken, einmal, um auszutreten, und ein drittes Mal im Dartmoor, als sein Wagen einen Seevogel erfaßte. Er hob den toten Vogel auf, wobei er seine Finger mit einem leeren Sandwichbeutel schützte, und sagte ein kurzes jüdisches Totengebet, bevor er ihn feierlich ins Heidekraut warf.
    Kurz vor drei erreichte er das alte Lotsenhaus am Kai. Gabriels Boot war mit einer Plane abgedeckt. Isherwood überquerte die Gasse und klingelte an der Haustür. Er klingelte nochmals, hämmerte dann an die Tür und rüttelte zuletzt an der Klinke. Abgesperrt.
    Er starrte durch das Sprossenfenster in die tadellos aufgeräumte Küche. Gabriel war kein großer Esser - warf man ihm einen Kanten Brot und ein paar Körner Reis hin, hielt er weitere 50 Meilen durch -, aber selbst für seine Verhältnisse war die Küche außergewöhnlich sauber und frei von allen Vorräten. Er ist weg, schloß Isherwood daraus. Für verdammt lange Zeit weg.
    Julian betrat den Garten hinter dem Haus, ging die Hauswand entlang und rüttelte an den Fenstern, weil Gabriel vielleicht vergessen haben konnte, eines von innen zu verriegeln. Aber das war nicht Gabriels Art.
    Er ging auf demselben Weg zurück und stand dann wieder auf dem Kai. Schiefergraue Wolken zogen vom Meer her flußaufwärts. Ein dicker Regentropfen traf ihn mitten auf der Stirn und rollte unter seiner Brille den Nasensattel hinab. Als Julian die Brille abnahm, verschwamm die Szene am Fluß vor seinen Augen. Er zog sein Taschentuch heraus, wischte sich das Gesicht ab und setzte die Brille wieder auf.
    Als er seine Umgebung wieder scharf sah, entdeckte er einen Jungen, der ganz in seiner Nähe stand. Er schien aus dem Nichts gekommen zu sein - wie eine auf Beute lauernde Katze. Isherwood hatte nie Kinder gehabt und konnte schrecklich schlecht abschätzen, wie alt jemand war. Den Jungen mit dem verkniffenen Gesicht schätzte er auf elf bis zwölf Jahre.
    »Was haben Sie um dieses Haus herumzuschnüffeln?« fragte der Junge.
    »Ich schnüffle nicht herum, und wer zum Teufel bist du?«
    »Ich bin Peel. Wer sind Sie?«
    »Ein Freund des Mannes, der hier wohnt. Mein Name ist Julian.«
    Isherwood streckte seine rechte Hand aus, aber der Junge dachte gar nicht daran, sie zu ergreifen. Er blieb wie zum Sprung bereit stehen.
    »Einen Freund, der Julian heißt, hat er nie erwähnt.«
    »Er erwähnt vieles nicht.«
    »Was wollen Sie?«
    »Mit ihm reden.«
    »Er ist weg.«
    »Das sehe ich. Weißt du, wo er ist?«
    »Das hat er nicht gesagt.«
    »Weißt du, wann er zurückkommt?«
    »Hat er nicht gesagt.«
    Der Regen wurde stärker. Der Junge war verstummt.
    Isherwood hielt sich eine Hand über die Augen und sah ins Dorf hinüber. »Weißt du, wovon er lebt?« fragte er Peel.
    Der Junge nickte.
    »Weiß das außer dir noch jemand im Dorf?«
    Peel schüttelte den Kopf.
    »Er arbeitet für mich«, sagte Isherwood, als gestehe er eine Untat. »Das Gemälde, das er restauriert, gehört mir.«
    »Der Rembrandt oder der Vecellio?«
    Julian lächelte. »Der Vecellio, mein Lieber.«
    »Er ist wunderschön.«
    »Das ist er allerdings.«
    Sie standen einen Augenblick nebeneinander, ohne auf den stärker werdenden Regen zu achten. In Gabriels kleinem Wächter erkannte Isherwood etwas von sich selbst. Ein weiterer von Gabriels Flüchtlingen, ein weiteres Wrackteil, das in Gabriels Kielwasser zurückgeblieben war. Eine weitere beschädigte Seele, die eine Restaurierung durch Gabriels geschickte Hände brauchte.
    »Wer hat ihn mitgenommen?« fragte Isherwood schließlich.
    »Der Mann mit Glatze, der wie ein Soldat geht. Kennen Sie ihn?«
    »Ja, leider.«
    Isherwood lächelte Peel zu. »Hast du Hunger?«
    Peel nickte.
    »Gibt's im Dorf ein Lokal, in dem man Tee und Kuchen  bekommen kann?«
    »Und eine Pastete«, sagte Peel. »Mögen Sie Wurstpastete?«
    »Kann nicht behaupten, daß ich schon mal eine probiert habe, aber das läßt sich ja nachholen. Möchtest du nicht erst deine Eltern um Erlaubnis fragen?«
    Peel schüttelte den Kopf. »Er ist nicht mein Vater, und meiner Mum ist's egal.«
    Ari Schamron kam spät am folgenden Abend auf dem Flughafen Lod in Tel Aviv an. Rami holte ihn am Flugsteig ab. Er

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