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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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fiel rückwärts aufs Bett. Ihr Körper wurde von heftigen Krämpfen geschüttelt, und die leere Spritze baumelte von ihrem Arm. Tariq ging in die Küche zurück und kochte sich in aller Ruhe einen Kaffee, während er darauf wartete, daß ihr Todeskampf ein Ende fand.
    Als Tariq fünf Minuten später seine Sachen in eine kleine Reisetasche packte, spürte er das Boot heftig schwanken. Er sah erschrocken auf. Jemand war an Deck gesprungen! Sekunden später ging die Tür auf, und ein großer, kräftig gebauter Mann betrat den Salon. Er war blond und trug Ohrstecker in beiden Ohren. Tariq fand, er sehe Inge entfernt ähnlich. Er tastete instinktiv nach der Makarow-Pistole, die hinten in seinem Hosenbund steckte.
    Der Mann starrte Tariq an. »Wer bist du?«
    »Ich bin ein Freund von Inge. Ich habe ein paar Tage hier gewohnt.«
    Er sprach ruhig, während er versuchte, seine Gedanken zu sammeln. Das unerwartete Auftauchen dieses Kerls brachte sein ganzes Konzept durcheinander. Vor fünf Minuten hatte er Inge unauffällig erledigt. Jetzt stand er plötzlich jemandem
    gegenüber, der alles ruinieren konnte. Aber dann sagte er sich: Bin ich wirklich Inges Freund, habe ich nichts zu befürchten. Er rang sich ein Lächeln ab und streckte seine Hand aus. »Ich heiße Paul.«
    Der Eindringling ignorierte Tariqs Hand. »Ich bin Inges Bruder Maarten. Wo ist sie?«
    Tariq deutete in Richtung Schlafkabine. »Du kennst Inge ja. Sie schläft noch.«
    Er stellte erschrocken fest, daß er die Tür halb offengelassen hatte. »Ich mache nur schnell die Tür zu, damit wir sie nicht wecken. Ich habe gerade Kaffee gekocht. Möchtest du eine Tasse?«
    Maarten ging jedoch an ihm vorbei und betrat die Schlafkabine. Verdammt! dachte Tariq. Er war entsetzt, wie schnell alles außer Kontrolle geraten war. Und er erkannte klar, daß er in spätestens zehn Sekunden entschieden haben mußte, wie er Maarten erledigen würde.
    Die einfachste Lösung wäre natürlich gewesen, ihn zu erschießen. Aber das würde Folgen haben. Morde mit Schußwaffen waren in den Niederlanden eine Seltenheit. Eine junge Drogentote, in deren Arm noch eine Spritze steckte, würde kein Aufsehen erregen. Aber zwei Leichen, von denen eine mit Blei vollgepumpt war, waren etwas ganz anderes. Die Polizei würde umfangreiche Ermittlungen anstellen und die Bewohner der benachbarten Hausboote vernehmen. Irgend jemand würde sich an sein Gesicht erinnern. Er würde der Polizei seine Personenbeschreibung liefern, die Polizei würde sie an Interpol weiterleiten, Interpol würde sie an die Juden weitergeben. Jeder Polizei- und Sicherheitsbeamte in ganz Westeuropa würde nach ihm fahnden. Erschoß er Maarten, war er ihn schnell los - aber dafür würde er auf Dauer teuer bezahlen müssen.
    In der Besteckschublade neben dem Propangasherd lag ein großes Tranchiermesser, das wußte er. Erstach er Inges Bruder, sah das vielleicht wie ein Verbrechen aus Leidenschaft oder ein gewöhnlicher Raubmord aus. Aber für Tariq war die Vorstellung, jemanden mit einem Messer zu töten, absolut widerwärtig. Und dabei gab es ein weiteres, ernsteres Problem: Er mußte damit rechnen, daß nicht gleich der erste Stich tödlich war. Seine Krankheit hatte ihn bereits geschwächt. Er hatte an Kraft und Ausdauer verloren. Unter keinen Umständen wollte er sich in einen Kampf mit einem größeren, stärkeren Gegner verwickeln lassen. Er sah seine Träume - den Friedensprozeß zu torpedieren und endlich mit Gabriel Allon abzurechnen - zerstieben, nur weil Inges großer Bruder im unpassenden Augenblick aufgekreuzt war. Leila hätte sorgfältiger recherchieren müssen.
    Tariq hörte Maarten aufschreien. Er beschloß, ihn zu erschießen.
    Er zog die Makarow aus seinem Hosenbund. Der Schalldämpfer war nicht aufgeschraubt. Wo ist das Scheißding? In seiner Jacke, die im Salon über einem Stuhl hing. Scheiße! Wie kann man bloß so nachlässig sein?
    Maarten kam mit aschfahlem Gesicht aus der Schlafkabine. »Sie ist tot!«
    »Wovon redest du überhaupt?« fragte Tariq, der sein Bestes tat, um Zeit zu gewinnen.
    »Sie ist tot! Davon rede ich! Sie hat sich eine Überdosis gespritzt!«
    »Drogen?«
    Tariq machte unauffällig einen Schritt auf den Stuhl mit seiner Jacke zu. Gelang es ihm, den Schalldämpfer aus der Tasche zu ziehen und aufzuschrauben, konnte er Maarten wenigstens fast lautlos erschießen…
    »Sie hat noch die Nadel im Arm. Ihr Körper ist noch ganz warm. Wahrscheinlich hat sie sich den Stoff erst vor ein

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