Der Augenblick der Liebe
gefärbt, gesagt. Und Gottlieb, der in dieser Situation ohnehin nicht wirklich dabei gewesen war, hatte in einem Anflug von Ebenfallsrheinisch gesagt: Wenn du dat so willst.
Als sie dann im Dunkel neben einander lagen, sagte Anna, Gottlieb habe einmal gesagt, wenn Kaltammers wimpern loser, sich nur ruckartig bewegender Blick auf etwas treffe, mache es jedes Mal ding oder sogar dingding. Mein Gott, und was war dagegen Paul Schatz für ein seelenvollpracht voller Mann. Gottlieb unterbrach sie nicht. Also redete sie, wie sie nie über den Konkurrenten, als er noch lebte, geredet hatte. Wenn mit einem anderen Mann, sagte sie, dann mit dem. Gottlieb dachte an seine Zwangsvorstellung: Paul Schatz und dessen steil ragendes Geschlechtsteil. Diese Vorstellung hatte er zumindest als Vorwand genommen, den ungeliebten Handel zu quittieren. Ein einziges Mal war Paul Schatz bei ihnen zu Besuch gewesen. Wochen später hatte Anna ihm gestanden, Paul Schatz habe, als er auf dem Klo gewesen war, von seinem Urin ein paar Tropfen auf dem Boden vor der Kloschüssel zurückgelassen, da habe es im Klo gerochen wie in einem Pferdestall, eindeutig nach Hengst habe es gerochen. Ach Anna. Auch jetzt schwärmte sie wieder von Paul Schatz. Wahrscheinlich um Gottlieb zu beleben. Er sollte beweisen, daß er auch jemand sei, möglichst ein Mann. Und obwohl er diese Animation per Paul Schatz als einigermaßen grotesk empfand, sie wirkte. Aber er hütete sich, durch irgend eine Benehmensart an jenes abendlang durchgekaute Eigenschaftswort zu erinnern. Leider fiel ihm dazu ein, wie die Besucherin auf der Terrasse scharf ausgesprochen hatte, nämlich mit drei f.
Zum Glück ist man für das, was einem einfällt, nicht verantwortlich zu machen.
2.
Wenn das Unangenehmste beim Aufwachen sofort be wußtseinsfüllend war, glaubte Gottlieb, er sei eben daran aufgewacht. Tatsächlich fühlte er sich, wenn er nicht mit Unangenehmem aufwachte, leer. Die Abwesenheit des Unangenehmen ist als Leere spürbar. Das ist wahrscheinlich das, was die Leute, denen das Unangenehme unbekannt ist, Glück nennen. Das begriff Gottlieb. Genau so ging es ihm auch. Es fühlte sich selig an, diese Leere wirken zu lassen. Etwas wie Leichtigkeit.
Heute nicht. Er war heute aufgewacht mit dem Wunsch, Chapel Hill anzurufen. Es war mehr als ein Wunsch. Einfach aufspringen, ans Telephon rennen, anrufen. Anna war wahrscheinlich schon unterwegs. Was auch immer er dachte, er spürte durch alles hindurch diesen Wunsch, Beate anzurufen. Er mußte sich, um sich beherrschen zu können, etwas vormachen. Etwa so: Nicht heute, und morgen auch nicht, aber in einer Woche. Nein, verlange von dir: in zwei Wochen. Vorher nicht. Vorher auf keinen Fall. Und hoffe, daß dieser Wunsch in zwei Wochen in dir nur noch herumgeistert wie etwas Halbvergessenes oder wie etwas so Komisches, daß du nicht mehr begreifst, wie du je einen solchen Wunsch haben konntest. Aufgewacht mit dem Gedanken, an dem Gedanken, er müsse Beate anrufen. Er begriff sich nicht. Ihm war offenbar nicht mehr zu trauen. Was in der Nacht abgelaufen war, empfand er jetzt als reine, hochkonzentrierte, durch nichts zu mildernde Aussichts losigkeit. Gab es etwas Aussichtsloseres als den Geschlechts verkehr? Als diesen Geschlechtsverkehr? Vor der Amerika reise waren die Verkehre, wenn sie glückten, und sie glückten öfter als sie mißglückten, waren sie doch immer mit schlichten Zuständen schlichter Enge und Gemeinsamkeit gesegnet gewesen. Fast eine Problemlosigkeitsgarantie. Mehr als einmal hat Anna im Aushauch
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