Der Augenblick der Liebe
geflüstert: So mit einan der. Kein trübes Danach. Jedesmal so jung, wie sie davor nicht gewesen waren. An der Grenze zum Übermut. Und er hat geträumt, nachdem er in der vergangenen Nacht wahr scheinlich vor Anna eingeschlafen war, er habe einen Mord begangen. Schon vor längerer Zeit. Er hat alle Spuren beseitigt. Könnte sich sicher fühlen. Aber der Inspektor kommt ins Haus. Unter fadenscheinigen Vorwänden. Man steht in der Halle. Unterm Boden die Leiche. Anna sagt einen Satz, in dem das Wort Schweinegalle vorkommt. Das ist für den Inspektor der Schlüssel. Er schaut Anna an und sagt: Erlebnisgestützt. Anna nickt. Jetzt weiß der Inspektor und kann es beweisen, daß Gottlieb es war. Anna hatte von allem keine Ahnung. Von Beate hatte er erfahren, daß ihr Vater Frauen gern tough broads nenne. Überhaupt liebe er das Amerikanische nur, weil er da deftig bis dreckig daherreden könne, ohne sich genieren zu müssen. Sobald Gottlieb nicht aufpaßte, dachte er an Beate. Und wenn er aufpaßte, dachte er erst recht an sie. Ihre hymnische Stimmung. Anders war das doch gar nicht zu nennen. Sie hatte gelitten, solange er nicht da gewesen war, und als er da war, war sie ununterbrochen hymnisch. Er ist ihr nie auf ihrem Niveau begegnet. Er hat sie versäumt. Er hat das Leben versäumt. Er muß hin. Zu ihr. Er kann sich nicht abhalten lassen, das spürt er. Um sich schlagen. Rücksichtslos sein. Endlich einmal rücksichtslos sein. Er will nicht mehr nicht in Frage kommen.
Schon am Morgen nach der ersten Nacht hatte sie ihn gefragt, warum er die Schuhe immer im Stehen anziehe. Auf dem rechten Fuß stehend, um den linken Schuh anzuziehen und so weiter. Und er hatte geprahlt, daß es ein Rabbi so gemacht habe und, gefragt, warum, habe er gesagt, solange jemand auf einem Fuß stehend seine Schuhe anziehen könne, sei er jung. Und eine belebende Nachricht war doch, daß sie sich vom ersten Terrassenaugenblick an zu ihm hingezogen gefühlt habe, weil er nicht siegessicher aufgetreten sei. So hatte sie in ihm ein altes Leiden beendet. Er hatte ein Erwachsenenleben lang darunter zu leiden gehabt, daß er kein toller Mann war. Sein Erzkonkurrent Paul Schatz war ein toller Mann gewesen, das hat auch Anna immer gesagt. Und Gottlieb hat es nie bestritten. Wo er hingekommen war, hatte er Paul Schatz als tollen Mann gerühmt. Immer so sehr, daß er hoffen konnte, jemand in der Runde werde jetzt sagen: Sie übertreiben. Das war so gut wie nie vorgekom men. Und dann kommt dieses übermäßige Mädchen und fühlt sich hingezogen zu ihm, weil er kein toller Mann ist! Und er, der Lebensidiot schlechthin, will ihr vom dritten Tag an im Flughafenhotel, als sie nichts als lieben wollte, beibringen, weniger zu empfinden, fängt an, umzudeuteln, jede Angewiesenheit auf einen anderen Menschen sei eine Form der Freiheitsberaubung. So leblos hat er sein können. Um nicht wieder etwas falsch zu machen, ließ er jetzt Anna Situationen ablaufen. Ziel: AnnaEntwirklichung. Eine Mache, daß er hier ohne remords wegkommt? Ist Anna nicht wirklich lebensabgewandt? Wie oft hat er sich ihr genähert, weil er eine Handbewegung mißverstanden hatte, und war dann durch und durch erbittert, weil er zu spät gemerkt hatte, daß diese Handbewegung überhaupt keine Einladung, kein Wunsch, kein Sehnsuchtssignal gewesen war, sondern Geste irgend eines Routinerepertoires. Und wenn er sie dann, fehlgeleitet von Anfang an, verführte, wurde peinlich deutlich, daß sie eine Freundlichkeitsleistung ihm zuliebe erbrachte. Sie hatte geglaubt, er brauche sie
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