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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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geflüstert:  So  mit  einan der.  Kein  trübes  Danach.  Jedesmal  so  jung,  wie  sie  davor  nicht gewesen waren. An der Grenze zum Übermut. Und er  hat  geträumt,  nachdem  er  in  der  vergangenen  Nacht  wahr scheinlich  vor  Anna  eingeschlafen  war,  er habe  einen  Mord  begangen.  Schon  vor  längerer  Zeit.  Er  hat  alle  Spuren  beseitigt.  Könnte  sich  sicher  fühlen.  Aber  der  Inspektor  kommt  ins  Haus.  Unter  fadenscheinigen  Vorwänden.  Man  steht in der Halle. Unterm Boden die Leiche. Anna sagt einen  Satz,  in  dem  das  Wort  Schweinegalle  vorkommt.  Das  ist  für  den  Inspektor  der  Schlüssel.  Er  schaut  Anna  an  und  sagt:  Erlebnisgestützt.  Anna  nickt.  Jetzt  weiß  der  Inspektor  und  kann es beweisen, daß Gottlieb es war. Anna hatte von allem  keine  Ahnung.  Von  Beate  hatte  er  erfahren,  daß  ihr  Vater  Frauen  gern  tough  broads  nenne.  Überhaupt  liebe  er  das  Amerikanische nur, weil er da deftig bis dreckig daherreden  könne, ohne sich genieren zu müssen. Sobald Gottlieb nicht  aufpaßte, dachte er an Beate. Und wenn er aufpaßte, dachte  er  erst  recht  an  sie.  Ihre  hymnische  Stimmung.  Anders  war  das  doch  gar  nicht  zu  nennen.  Sie  hatte  gelitten,  solange  er  nicht  da  gewesen  war,  und  als  er  da  war,  war  sie  ununterbrochen  hymnisch.  Er  ist  ihr  nie  auf  ihrem  Niveau  begegnet. Er hat sie versäumt. Er hat das Leben versäumt. Er  muß hin. Zu ihr. Er kann sich nicht abhalten lassen, das spürt  er.  Um  sich  schlagen.  Rücksichtslos  sein.  Endlich  einmal  rücksichtslos sein. Er will nicht mehr nicht in Frage kommen. 
Schon  am  Morgen  nach  der  ersten  Nacht  hatte  sie  ihn  gefragt, warum er die Schuhe immer im Stehen anziehe. Auf  dem rechten Fuß stehend, um den linken Schuh anzuziehen  und  so  weiter.  Und  er  hatte  geprahlt,  daß  es  ein  Rabbi  so  gemacht  habe  und,  gefragt,  warum,  habe  er  gesagt,  solange  jemand auf einem Fuß stehend seine Schuhe anziehen könne,  sei er jung. Und eine belebende Nachricht war doch, daß sie  sich vom ersten Terrassenaugenblick an zu ihm hingezogen  gefühlt  habe,  weil  er  nicht  siegessicher  aufgetreten  sei.  So  hatte  sie  in  ihm  ein  altes  Leiden  beendet.  Er  hatte  ein  Erwachsenenleben  lang  darunter  zu  leiden  gehabt,  daß  er  kein  toller  Mann  war.  Sein  Erzkonkurrent  Paul  Schatz  war  ein toller  Mann  gewesen, das hat auch Anna immer gesagt.  Und Gottlieb hat es nie bestritten. Wo er hingekommen war,  hatte er Paul Schatz als tollen Mann gerühmt. Immer so sehr,  daß  er  hoffen  konnte,  jemand  in  der  Runde  werde  jetzt  sagen:  Sie  übertreiben.  Das  war  so  gut  wie  nie  vorgekom men.  Und  dann  kommt  dieses  übermäßige  Mädchen  und  fühlt  sich  hingezogen  zu  ihm,  weil  er  kein  toller  Mann  ist!  Und er, der Lebensidiot schlechthin, will ihr vom dritten Tag  an  im  Flughafenhotel,  als  sie  nichts  als  lieben  wollte,  beibringen,  weniger  zu  empfinden,  fängt  an,  umzudeuteln,  jede  Angewiesenheit  auf  einen  anderen  Menschen  sei  eine  Form  der  Freiheitsberaubung.  So  leblos  hat  er  sein  können.  Um nicht wieder etwas falsch zu machen, ließ er jetzt Anna Situationen  ablaufen.  Ziel:  AnnaEntwirklichung.  Eine  Mache, daß er hier ohne remords wegkommt? Ist Anna nicht  wirklich lebensabgewandt? Wie oft hat er sich ihr genähert,  weil  er  eine  Handbewegung  mißverstanden  hatte,  und  war  dann  durch  und  durch  erbittert,  weil  er  zu  spät  gemerkt  hatte, daß diese Handbewegung überhaupt keine Einladung,  kein  Wunsch,  kein  Sehnsuchtssignal  gewesen  war,  sondern  Geste  irgend  eines  Routinerepertoires.  Und  wenn  er  sie  dann, fehlgeleitet von Anfang an, verführte, wurde peinlich  deutlich,  daß  sie  eine  Freundlichkeitsleistung  ihm  zuliebe  erbrachte.  Sie  hatte  geglaubt,  er  brauche  sie 

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