Der Augenblick der Liebe
digung eines BettinaAnrufs. Bettinas ostwestfälischer Samenhändler war dabei, sich umzuschulen auf Program mierer. Aber es war der Terrassenmensch mit den unbe nutzbaren Namen. Und der rutschte einmal sogar ins Du. Einen Freudian slip konnte sie das nicht nennen. Ihr blieb die Spucke weg. Wie anders sollte sie sich denn diese jähe Mundtrockenheit erklären! Der Herr dort an der Strippe kriegte sich auch gleich wieder ein − so würde sich ihre deutlich flottere Schwester ausdrücken − und brachte einen Selbstverhinderungstext zustande, der ihr durch und durch ging. Er sagte ihr, daß er ihr nichts sagen könne. Aber daß er ihr nichts sagen könne, müsse er ihr doch sagen. Und legte auf und ließ das Überseerauschen über ihr zusammen schlagen.
Die Sinne sind seine Philosophen, heißt es bei ihrem Patron. Sie malte sich die zwei Buchstaben auf ein Blatt. DU . Und ließ diese Buchstaben auf ihre Sinne wirken. Spielte sich das gehörte DU zu, während sie das gemalte DU ansah und überließ sich der Flut; wie sonst sollte sie die Wucht nennen, die jetzt am Zunehmen war. Am liebsten hätte sie jetzt Bettina angerufen und sich in diesem Zustand ihr ausgesetzt, nein, präsentiert. Als Frischgeduzte! Krieg dich ein, Schwes terchen, würde Bettina sagen. Beate dachte bei manchen BettinaSätzen, daß es die, als sie noch drüben gewesen war, noch nicht gegeben hatte. Ihm, dem Herrn auf der Terrasse, müßte sie sagen können, daß sie Erkenntnis schöpfe aus dem puren DU . Aber sie konnte dort nicht anrufen. Die ganz gewöhnliche Machtstruktur. Sie müßte, wenn Frau Anna oder gar, gerade hereingeschneit, Regina, Julia, Magda oder Rosa am Apparat wäre, schlicht vergehen vor Verlegenheit. Ihm sagen und Herrn Rosenne sagen und dem eifersprü henden Rick Hardy sagen, daß man mehr, als La Mettrie erkannt hat, nicht erkennen kann, jetzt und immerdar. Leider müßte sie das nicht sagen, sondern beweisen. Die Äußer lichkeit der Buchstaben und die Erfahrung, die sie in ihr bewirkten.
Alles eins hat schon vor fünfzehn Jahren ihr Terrassen mensch geschrieben. Wer einmal das Richtige berührt hat, kann nicht mehr überholt werden. Als der Patron erkannte, wie l¹imagination von l¹expérience bestimmt ist, hat er die Durchgängigkeit des Bewußtseins, des Denkens, des Daseins, die Unteilbarkeit überhaupt erfahren. Dieses DU macht vor nichts halt, reicht überall hin, ist eine Quelle uner schöpflicher Erfahrung. Sie sieht das Buchstabenpaar DU und weiß, daß sie gemeint ist, und es bewegt sie, wie noch nie etwas sie bewegt hat. Zwei Buchstaben, eine optische Figur, und sie flutet, schwillt, blüht, kippt ... Das hat viel mehr mit ihr zu tun als mit diesem Herrn ZürnKrall. Julien Offray de La Mettrie kennt sie besser als dieser deutsche Geheimrat. Statt nachzuzählen, wie und wie oft La Mettrie in Deutschland verstanden und mißverstanden worden ist, möchte sie jetzt nachweisen können, daß man mehr, als er erkannte (per l¹expérience und l¹imagination), auch in der Zwischenzeit nicht erkannt hat. Höchstens weniger. Es gibt (zum Glück) auch Rückschritte. Sonst gäbe es ja keinen Fortschritt.
... pourquoi diviser le Principe sensitif qui pense dans l¹Homme? Denn etwas, was man geteilt hat, kann nie mehr ohne Krampf als unteilbar erlebt werden. Sagt der Patron. Und trotzdem reden auch die Gescheitesten von Materie, Geist, Stoff, Seele usw., als gäbe es zweierlei. Der KrallAufsatz Alles eins wurde nicht gelesen. Alles geht immer so weiter. Aber, sagt Julien, es sprechen die Wälder, die Echos seufzen, die
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