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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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digung  eines  BettinaAnrufs.  Bettinas  ostwestfälischer  Samenhändler  war  dabei,  sich  umzuschulen  auf  Program mierer.  Aber  es  war  der  Terrassenmensch  mit  den  unbe nutzbaren  Namen.  Und  der  rutschte  einmal  sogar  ins  Du.  Einen Freudian slip konnte sie das nicht nennen. Ihr blieb die  Spucke  weg.  Wie  anders  sollte  sie  sich  denn  diese  jähe  Mundtrockenheit  erklären!  Der  Herr  dort  an  der  Strippe  kriegte  sich  auch  gleich  wieder  ein −  so  würde  sich  ihre  deutlich  flottere  Schwester  ausdrücken −  und  brachte  einen  Selbstverhinderungstext  zustande,  der  ihr  durch  und  durch  ging. Er sagte ihr, daß er ihr nichts sagen könne. Aber daß er  ihr  nichts  sagen  könne,  müsse  er  ihr  doch  sagen.  Und  legte  auf  und  ließ  das  Überseerauschen  über  ihr  zusammen schlagen. 
Die  Sinne  sind  seine  Philosophen,  heißt  es  bei  ihrem  Patron. Sie malte sich die zwei Buchstaben auf ein Blatt.  DU .  Und ließ diese Buchstaben auf ihre Sinne wirken. Spielte sich  das gehörte  DU  zu, während sie das gemalte   DU  ansah und  überließ sich der Flut; wie sonst sollte sie die Wucht nennen,  die  jetzt  am  Zunehmen  war.  Am  liebsten  hätte  sie  jetzt  Bettina angerufen und sich in diesem Zustand ihr ausgesetzt,  nein, präsentiert. Als Frischgeduzte! Krieg dich ein, Schwes terchen,  würde  Bettina  sagen.  Beate  dachte  bei  manchen  BettinaSätzen, daß es die, als sie noch drüben gewesen war,  noch nicht gegeben hatte. Ihm, dem Herrn auf der Terrasse,  müßte sie sagen können, daß sie Erkenntnis schöpfe aus dem  puren  DU .  Aber  sie  konnte  dort  nicht  anrufen.  Die  ganz  gewöhnliche  Machtstruktur.  Sie  müßte,  wenn  Frau  Anna  oder gar, gerade hereingeschneit, Regina, Julia, Magda oder  Rosa  am  Apparat  wäre,  schlicht  vergehen vor  Verlegenheit.  Ihm  sagen  und  Herrn  Rosenne  sagen  und  dem  eifersprü henden  Rick  Hardy  sagen,  daß  man  mehr,  als  La  Mettrie  erkannt hat, nicht erkennen kann, jetzt und immerdar. Leider  müßte  sie  das  nicht  sagen,  sondern  beweisen.  Die  Äußer lichkeit  der  Buchstaben  und  die  Erfahrung,  die  sie  in  ihr  bewirkten. 
Alles  eins  hat  schon  vor  fünfzehn  Jahren  ihr  Terrassen mensch  geschrieben.  Wer  einmal  das  Richtige  berührt  hat,  kann  nicht mehr überholt werden. Als der  Patron erkannte,  wie  l¹imagination  von  l¹expérience  bestimmt  ist,  hat  er  die  Durchgängigkeit  des  Bewußtseins,  des  Denkens,  des  Daseins,  die  Unteilbarkeit  überhaupt  erfahren.  Dieses  DU  macht vor nichts halt, reicht überall hin, ist eine Quelle uner schöpflicher  Erfahrung.  Sie  sieht  das  Buchstabenpaar  DU   und  weiß,  daß  sie  gemeint  ist,  und  es  bewegt  sie,  wie  noch  nie  etwas  sie  bewegt  hat.  Zwei  Buchstaben,  eine  optische  Figur,  und  sie  flutet,  schwillt,  blüht,  kippt  ...  Das  hat  viel  mehr mit ihr zu tun als mit diesem Herrn ZürnKrall. Julien  Offray  de  La  Mettrie  kennt  sie  besser  als  dieser  deutsche  Geheimrat. Statt nachzuzählen, wie und wie oft La Mettrie in  Deutschland  verstanden  und  mißverstanden  worden  ist,  möchte  sie  jetzt  nachweisen  können,  daß  man  mehr,  als  er  erkannte  (per  l¹expérience  und  l¹imagination),  auch  in  der  Zwischenzeit  nicht  erkannt  hat.  Höchstens  weniger.  Es  gibt  (zum  Glück)  auch  Rückschritte.  Sonst  gäbe  es  ja  keinen  Fortschritt. 
...  pourquoi diviser le Principe sensitif qui pense dans l¹Homme?  Denn  etwas,  was  man  geteilt  hat,  kann  nie  mehr  ohne  Krampf  als  unteilbar  erlebt  werden.  Sagt  der  Patron.  Und  trotzdem  reden  auch  die  Gescheitesten  von  Materie,  Geist,  Stoff,  Seele  usw.,  als  gäbe  es  zweierlei.  Der  KrallAufsatz  Alles  eins  wurde  nicht  gelesen.  Alles  geht  immer  so  weiter.  Aber, sagt Julien,  es sprechen die Wälder, die Echos seufzen, die 

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