Der Augenblick der Liebe
einem englischen Satz, in dem ihm ein grober Fehler unterlief. Die Zuhörer lachten laut, Professor Rosenne lachte auch, aber er lachte so, daß klar wurde, er habe das Kompliment nur gemacht, um Gottlieb zu dieser Selbstentlarvung zu provozieren. Gottlieb erzählte den Traum Beate J. Themire, bat aber darum, von Dr. Douglas¹ Auslegungen verschont zu bleiben. Und sie: Hättest du¹s lieber ä la Goethe? Wieso, wie geht¹s á la Goethe? Na ja, sagte sie fast genießerisch, Frau Herder hat einmal nichts Besseres zu tun gewußt, als Goethe einen närrischen Traum zu erzählen, und er rät ihr überhaupt ab, so zu träumen, wie sie träumt, und sagt, das Schlimmste sei, die Träume machten den Verstand krank. Und bevor Gottlieb reagieren konnte, sagte sie energisch, daß Goethe hier wohl Ursache und Wirkung verwechselt habe. Ja, sagte Gottlieb, er hing dann sehr am Beherrschbaren.
Sie stand jetzt schon vor dem Spiegel, sie kämmte sich, sah sich an und sagte: Immer wenn du mit mir geschlafen hast, bin ich doppelt so schön wie vorher. Immer? sagte er. Und sie: Jetzt schon viermal, Sylvandre. Und gab ihm einen kleinen Schubs, der genügte, ihn aufs Bett zu werfen. Und sofort war sie neben ihm und halb auf ihm und, als gäbe es keine Termine, fuhr sie mit ihrem Zeigefinger seine Ohren nach, die Augenbrauen, die Nase, die Lippen. Die Lippen immer wieder. Da ihm das guttat, fuhr er ihr auch so sachte mit dem Zeigefinger ihren Gesichtsplan nach. Ihm blieb nichts anderes übrig als zu sagen, so habe er, als seine Töchter noch Kinder waren, auch deren Profile mit einem liebenden Zeigefinger nachgefahren. Wahrscheinlich nur bei Julia, sagte sie, weil sie auf die, vom selben Jahrgang, eifersüchtig zu sein vorgab. Er griff nach Julias Namen wie nach einem Rettungsring und spulte vaterschmerzbewegt die Julialegende herunter. Fährt neuerdings mit Bus und Boot durch Berlin und erklärt Ausländern die Museumsinsel, die Nationalgalerie, den Potsdamer Platz und den Reichs tagsbau plus Geschichte, die Kuppel. Auf Englisch. Hat ja zwei Jahre mit und bei einem irischen Alkoholiker in Dublin gelebt. Sie hat den nicht ernähren können in Irland, also mußte sie gehen. Ihren jetzigen Alkoholiker, und es ist wieder ein Ire, kann sie ernähren, aber eben in Berlin. Die Verbindung hält. Sie hat in ihrem Leben noch keinen Tropfen Alkohol getrunken. Wahrscheinlich zieht das die Alko holiker an. Der Jetzige hat noch nie etwas gearbeitet. Und ist stolz darauf. Er werde, sagt er, sich nie ausbeuten lassen und werde nie andere ausbeuten. Und da das bei Arbeit immer die Gefahr ist, meidet er Arbeit. Weil Beate wissen wollte, wie der seine Zeit verbringe, mußte er ihr erklären, daß dieser Ire Tag und Nacht lese und schreibe, also keinesfalls untätig oder gar faul sei. Dann wäre ja alles einfach. Aber er lese und schreibe eben ununterbrochen, sage allerdings, es habe keinen Sinn, sein Geschriebenes jetzt anzubieten, da es so viel besser sei als all der Mist, der zur Zeit die Szene be herrsche, daß das Seine mit keinerlei Verständnis rechnen könne. Noch nicht! Wann, das wisse allein Gott, und den gebe es bekanntlich nicht. Da in Julia die Botschaft einge brannt war, Iren seien genial, glaubt sie, hofft sie, hebt sie und erklärt weiterhin das Reichstagsufer und lernt jetzt nebenher Japanisch. Sie will es so weit bringen, japanischen Reisegruppen Berlin in deren Muttersprache zu erklären. Das gäbe einige Euro mehr.
Beate, die vielleicht nicht mehr zugehört, auf jeden Fall
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