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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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zurückging,  gab¹s  noch Extrabeifall. Deutlich für ihre Vortragsleistung. 
Rick  Hardy  rief  hell  und  lebhaft  zur  Diskussion  auf.  Als  sich niemand meldete, sagte er, er werde einmal den Anfang  machen.  Vielleicht  sei  der  Referent  inzwischen  wieder  bei  Stimme. Schon flüstern könne bei der vorzüglichen Verstär keranlage  von  Dwinelle  Hall  eine  Kommunikation  ermög lichen. Gottlieb sah und hörte und spürte, wie unvollständig  Beate ihm diesen Rick Hardy geschildert hatte. Eine Stimme  wie  ein  italienischer  Tenor.  Eine  gelbe  Lederweste,  aus  der  ein  weißer  Rollkragen  unmäßig  herausquillt.  Ein  vorne  aufknöpfbarer  Rollkragen.  Wahrscheinlich  aus  Seide  oder  feinster  Baumwolle.  Und  diese  Lachbereitschaft!  Er  lachte  seinen  eigenen  Sätzen  hinterher.  I  like  your  attempt  to  con ceptualize your misere propre. Und lachte. Er wolle, sagte er,  mit einem Zitat von T. S. Eliot beginnen.  Bad poets copy, great  poets  steal.  Und  lachte.  Warum  er  jetzt  Eliot  zitiere,  sei  ihm  selber  unbekannt.  Aber  Eliot  paßt  immer.  Und  lachte.  Die  Unlust  des  Auditoriums,  sich  zu  Wort  zu  melden,  könne  damit zu tun haben, daß Mr. Krall weniger über La Mettrie  und  mehr  über  sich  selbst  gesprochen  habe.  Let  me  try  to  elucidate what Mr. Krall was trying to say. Und spezialisierte  sich auf ein Wort:  Schuldgefühle.  Ein deutscher Intellektueller  kommt an eine USEliteUniversität und versucht unter dem  Vorwand,  er  spreche  über  La  Mettrie,  den  Deutschen  einen  Freispruch  zu  erschwindeln.  Zweifellos  sei  der  späte  La  Mettrie eine Art Verführung zur Gewissenlosigkeit. Aber er  hat aus allzu einsichtigen Gründen nicht daran gedacht, die  Deutschen  aus  ihrer  von  ihnen  selbst  verschuldeten  Schuld  zu  erlösen.  Schluß mit  Schuldgefühlen!  Das  aus  dem  Mund  eines  Deutschen!  La  Mettrie  hat,  als  er  die  Menschheit  von  Schuldgefühlen  befreien  wollte,  nicht  an  Völkermord  ge dacht, sondern an Ehebruch und dergleichen. Insofern ist der  Coup,  den  ein  konvertierter  Altachtundsechziger  hier  zu  landen  versuche,  fast  schon  jenseits  des  akademisch  Tole rierbaren.  Massage  gegen  Gewissensbisse!  Und  das  via  Nietzsche!  Wer  Professor  Rosennes  NietzscheVorlesung  gehört  habe,  könne  einen  so  unreflektierten  NietzscheGe brauch nicht ohne Gänsehaut zur Kenntnis nehmen. Sollte er  in  seinem  Versuch,  die  Diskussion  zu  entfesseln,  zu  weit  gegangen  sein,  bitte  er  um  Widerlegung  dessen,  was  er  gesagt  habe  und  was  er  allerdings  unter  allen  Umständen  sagen würde. Kräftiger Beifall. 
Das  war  eine  vorbereitete,  geplante,  vielleicht  sogar  mit  dem  Professor  abgesprochene  Diskussionseröffnung.  Gott lieb stand auf, ließ sich, zur Sicherheit, von Beate den Hardy Text  noch  einmal  zusammenfassen,  dann  flüsterte  er  Beate  ins  Ohr  und  sie  sagte  es  laut  auf  Englisch  weiter:  Er  sei  überrascht. An all das, was Mr. Hardy in seinem Vortrag ent deckt  habe,  habe  er  nicht  gedacht.  Trotzdem  seien  Mr.  Hardy¹s  Bemerkungen  ernst  zu  nehmen.  Für  einen  Deut schen  ganz  besonders.  Remords  nennt  La  Mettrie,  was  deutsch  Gewissensbisse  oder  Schuldgefühle  heißt,  und  auf  Englisch  vielleicht  bad  conscience  oder  feeling  guilty  oder  selfreproach. Wie auch immer man¹s übersetze, La Mettries  Versuch,  Schuldgefühle  zu  demontieren,  stehe  im  Discours  sur le Bonheur.  Und das ist nicht die witzige Abrechnung mit  remords,  wie  sie  die  Boulevardkomödie  pflegt.  Autre  reli gion,  autre  remords,  heißt  es  da  zwar,  aber  dann  wird  gründlich  gefragt,  wozu  remords  überhaupt  gut  sind.  Für  den  Menschen.  Für  die  Gesellschaft.  Es  geht  um  die  Glückseligkeit  der  Menschheit,  die  nicht  gestört,  zerstört  werden  soll  durch  nichtsnutzige  Schuldgefühle.  La  Mettrie  fragt 

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