Der Augenblick der Liebe
konnte er Anna anrufen und sie bitten, daß sie ihn anrufe. Kaum, daß er noch die Hotelnummer herausbrachte. Sie rief sofort zurück. Der Hals also. Sie war gerade am Heimkom men. Sie hat endlich einen seriösen Interessenten für das Bauernhaus in Wintersulgen. Aber am Anfang wirke ja jeder Interessent seriös. Also, sein Hals. Kein Wort mehr, bitte. In die Apotheke. Bienenwachscreme, Eisentabletten, Fichten nadelsaft. Und dreimal die Essigwasserwaschung, von Kopf bis Fuß, besonders die Fußsohlen. Nachts einen dicken, engen Krautwickel um den Hals. Dann ist das morgen weg. Daß er erst anruft, wenn ihm etwas fehlt, ist schlimm genug. Schlimm genug, Gottlieb! Bitte, jetzt kein Wort von ihm! Sobald die Stimme wieder da ist, soll er anrufen. Aber wenn ihm nichts mehr fehlt, warum sollte er dann anrufen! Wenn sie also nichts mehr hört von ihm, weiß sie, es geht ihm besser. Mach¹s gut. Du furchtbarer Mensch. Sie wäre ihm dankbar, wenn er, weil er doch so schlau ist, wenn er ihr erklären könnte, warum sie ihn noch hebt. Das ist ein Leiden, gegen das sie immer noch kein Mittel gefunden hat. Aber Wintersulgen hat geklappt. Droben, hinter Heiligenberg. Weißt du noch? Im Winter, wir beim Langlauf im verschneiten Gelände, dann plötzlich quer über den sanften Hügel das Rudel Wildschweine, und wir standen und schauten zu, wie die durch den Schnee stoben. Wir müssen da ziemlich fromm ausgesehen haben. Adieu. Gottlieb konnte gerade noch Adieu krächzen, dann legte sie auf.
5.
Sie rief an wie aus dem Grab. Und auch noch so, als hörten die Toten gierig mit, sie müsse also ganz leise sprechen. In zehn Minuten kommt sie mit dem Taxi, er soll, bitte, dann schon unten sein, vor dem Hotel. Also ins Krankenhaus.
Der Arzt, der alles schon wußte, plauderte aus seiner Geschichte, was jetzt paßte. Wievielen Tenören er schon geholfen hatte. Aber zuerst mußte Gottlieb sich ausziehen, seine Kleider auf einen Bügel hängen, der auch die Schuhe aufnehmen konnte, mußte in einen grünlichen Pa tientenkittel schlüpfen und in ebensolche Hosen, ums Handgelenk kriegte er ein Bändchen, an dem ein Schildchen mit seinem Namen hing. Der Arzt, der die ankommenden Patienten auf die dafür geeigneten Ärzte verteilte, wollte selber einmal Sänger werden, plauderte über Bei Canto Technik und war ganz sicher, daß er für den stimmlosen Herrn aus Deutschland den richtigen Doktor im Haus habe. Sie sollten sich entspannen, beide. Bis gleich.
Beate hatte begriffen, daß das die Vorbereitung war für einen stationären Aufenthalt. Sie eroberte die Kleidung zurück, Gottlieb mußte sich sofort umziehen, sie entkamen, bevor der Verteiler zurück war. Und Beate hatte aus einem jungen vorbeikommenden Arzt auch noch einen HNO Arzt herausgefragt. In Berkeley. Dr. Matusaka. Ein Japaner. Beate bezahlte das Taxi, drückte die siebte Etage, verhandelte mit dem Empfangsmädchen, sie sollten sich setzen. Es waren gerade noch zwei Stühle frei. Allerdings zwei schöne Stühle. Weiß, und geschwungen und geknickt, dann wieder gerade. Es war eng. Gottlieb schob¹s auf die Quadratmeterpreise. Er und Beate würden unter solchen Umständen nicht sprechen. Aber Beate suchte seine Hand. Niemand sagte etwas, nur das Mädchen mit dem verbundenen Ohr. Sie sprach ungeniert laut. We have seen Indian houses. Totems. Seals floating on icebergs. Dolphins. Mating. All exciting. Was für eine Sprache! Dolphins. Mating. Dieses Mädchen war so beson ders, wie die Frau, der sie erzählte, gewöhnlich war. Miche langelo hätte aus diesem großäugigen, schlaksigen, lang gliedriegen Ding einen
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