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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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leicht.  Daß  es  so  viele  Früchte  und  Gemüsearten gibt, die er noch nie gesehen, deren Namen er  noch  nie  gehört  hat!  Aber  sie  fanden  das  Kraut.  Und  keine  Apotheke gesucht. Ihm genügte es, Bescheid zu wissen. Aber  im  Hotel  suchte  er  im  Webster  idiopathic.  Da  stand:  Gr.  Idiopatheia,  feeling  for  oneself  alone,  designating  or  of  a  disease  whose cause is unknown or uncertain.  Beate bat er, daß sie zum  Abendessen in den Faculty Club gehe. Sie gehört zum staff.  Das  muß  sie  demonstrieren.  Sie  darf  nicht  als  Kranken wärterin  des  deutschen  Durchgefallenen  figurieren.  Er  werde,  egal,  wie  seine  Stimmbänder  sich  benähmen,  an  keiner  Veranstaltung,  auch  an  keinem  Essen  mehr  teilneh men.  Bitte,  keine  Mitleidsgesten  jetzt.  Er  fühlt  sich  im  Zim mer  wohl,  vielleicht  geht  er  noch  über  die  Straße  in  ein  Bistro.  Sie  soll  dort  bleiben,  solange  das  dort  geht.  Beate  wollte das nicht einsehen. Wenn er fernbleibe, demonstriere  er  eine  Niederlage,  die  es  nicht  gab,  dank  Patricia.  Er  muß  mit  hinüber,  Patricia  umarmen,  hellauf  lachen  über  die  dümmliche Polemik dieses und jenes Teilnehmers, vor allem  über  die  unfaire  Moderationspolitik  Rick  Hardy¹s.  Gottlieb  deutete auf seinen Hals. Lachen, hellauf, womit?! 
Sie  ging,  sagte  aber,  daß  sie  sich  nur  noch  darauf  freue,  zurückzukommen.  Sobald  sie  in  ihrem  Zimmer  sei,  rufe  sie  an  und  bitte  ihn  dann,  flehe  ihn  dann  an,  sofort  zu  ihr  hinüberzukommen.  Zur  Hauptsache,  sagte  sie  und  lächelte  lasziv,  aber  so,  daß  klar  wurde,  sie  parodiere  eine  Film prostituierte, aber es sei ihr auch danach. 
Er  konnte  sich  nicht  entschließen,  sich  jetzt  einen  Kraut wickel anzutun. Er rief das LufthansaBüro an und verlegte  den  Rückflug  vom  13.  April  auf  den  6.  April.  Exchange  fee  150 Dollar. Es war, als habe er eine Last abgeworfen. Er hätte  fast  übermütig  werden  können.  Am  liebsten  hätte  er  gepfiffen.  Aber  summen  mußte  er.  Anna  informieren,  nein,  das  noch  nicht.  Zuerst  mußte  er  Beate  mit  diesem  Datum  vertraut  machen.  Sie  würde  protestieren.  Mehr  als  protes tieren.  Diese  Umbuchung  war  aber  notwendig  geworden.  Wenn  er  je  mit  sich  selber  übereinstimmte,  dann  jetzt.  Er  würde mit Beate am Sonntagabend nach Chapel Hill fliegen,  wie  geplant.  Aber  dann,  statt  zwei  Wochen,  eine.  Diese  Woche  würde  ihm  schwer  genug  fallen.  Das  hatte  nichts  oder  wenig  zu  tun  mit  der  Reaktion  auf  seinen  Vortrag.  Auch  wenn  sie  ihm  zugejubelt  hätten,  hätte  er  umbuchen  müssen.  Die  Niederlage  in  der  Dwinelle  Hall  kann  er  ertragen,  er  muß  sie  nicht  mildern.  Ein  Deutscher  will  den  Deutschen mit Hilfe des radikalen Moralrealisten La Mettrie  einen  Freispruch  erschwindeln!  Daß  La  Mettrie  auch  für  Deutsche  in  Frage  kommen  muß,  darf  er  gar  nicht  denken.  Hat er auch gar nicht gedacht. Darauf hat ihn erst Mr. Hardy  gebracht.  La  Mettrie  behauptet,  es  gebe  nichts  Unmensch licheres,  nichts  Lebensfeindlicheres  als  remords.  Das  würde  natürlich  auch  für  den  Umgang  der  Deutschen  mit  ihrer  Vergangenheit gelten. Aber das hat er nicht gesagt. Er müßte  dann  nachweisen,  daß  es  eine  Schuld  gibt  ohne  Schuld gefühle.  Kein  bißchen  weglügen,  nichts  verkleinern,  und  trotzdem  kein  Schuldgefühl,  keine  remords.  Das  ist  ein  anderer Vortrag. Ein Vortrag, den er nicht gehalten hat, den  zu  halten  er  nicht  wagen  kann.  La  Mettrie  hatte  keine  Erfahrung  mit  dem  Gedächtnis.  Inzwischen  wacht  das  Gedächtnis über das Gewissen. Ob das lebensfeindlich ist, ist  dem Gedächtnis egal. 
Im Bistro aß er eine Salatplatte und ein PastramiSandwich  und  trank  ziemlich  viel  Bier.  Dann  kaufte  er  sich  noch  eine  Flasche 

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