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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Dank, weil du meiner Tochter ihre glücklichsten Jahre gegeben hast. Und einem alten Mann das Glück einiger weniger Jahre im Glanz seines einzigen Enkelkindes.«
     
    7
    Am Tag darauf fuhr ich ins Büro. Madrid stöhnte unter der Hitze. Der Asphalt kochte, das Laub der Bäume war staubig und trocken, und die Blumen, die die Stadtverwaltung nicht mit dem reichlich vorhandenen Wasser aus den Bergen versorgt hatte, ließen wie die paar Touristen, die vor dem Prado Schlange standen, die Köpfe hängen. Flimmernd lag das weiße Licht zwischen den Häusern und über dem zähflüssigen, hupenden Verkehr. Die Tropfen der Springbrunnen verdampften in Regenbogenstrahlen, in den Cafés, im Schatten der Sonnenschirme klirrte das Eis in den Gläsern, und die Nerven lagen blank. Die Sonne brannte über der kastilischen Hochebene. Die Millionen Bewohner der Betonwüste namens Madrid keuchten den ganzen Tag unter der Hitze, aber in den Büros sorgten Klimaanlagen dafür, daß das Geldverdienen in kühler Effektivität vor sich gehen konnte.
    Unser Büro lag in der mondänen Geschäftsstraße Castelleano.
    Oscar und Gloria besaßen das ganze Gebäude und hatten die Penthousewohnung unterm Dach mit der gleichen Selbstverständlichkeit okkupiert, mit der sie jede Gesellschaft dominierten. In der darunterliegenden Etage hatten wir zunächst alle Wände der alten kleinen Madrider Wohnungen niedergerissen und danach wieder für größere Mieteinheiten hochgezogen. OSPE NEWS lag zur Linken, wenn man aus dem Aufzug trat. Zur Rechten befand sich Glorias Anwaltskanzlei.
    Hier tippten junge Anwälte und ihre Sekretärinnen auf Computern und flüsterten in Telefone, verschickten E-Mails und wichtige Faxe. Das waren die Atemzüge der modernen Gesellschaft. Sie waren Hyänen und Seelsorger, Sheriffs und Gefängniswärter. Anwälte hatten ihre Finger überall, und jeder Telefonanruf bedeutete wieder Geld auf dem Konto. Zeit war Geld. Glorias Kanzlei und OSPE NEWS waren aus steuerlichen Gründen getrennt, in Wirklichkeit aber waren sie eng miteinander verwoben.
    Gloria war erfolgreich. Sie hatte die freie Auswahl unter der alljährlich neu entstehenden Gruppe begabter Nachwuchsanwälte, die ein paar Jahre lang mit Kußhand siebzig Stunden in der Woche schufteten, um unter die happy few zu kommen, die nach jahrelangem, gutbezahltem Sklavendasein Partner bei Gloria wurden.
    Gloria war als junge, frischgebackene Anwältin durch ihre politischen Prozesse in der Untergangszeit der Franco-Diktatur berühmt geworden. Sie verteidigte Sozialisten und Kommunisten, Liberale und Gewerkschaftler, studentische Aktivisten und ETA-oder GRAPO-Terroristen. Sie kämpfte für sie wie eine Löwin im Gerichtssaal und in den Medien. Das Fernsehen liebte die junge schöne, schwarzäugige Anwältin mit dem wilden Haar und dem feurigen Engagement. Nach wie vor akzeptierte sie einzelne spektakuläre Strafrechtssachen ohne oder für das bescheidene Honorar, das einem Pflichtverteidiger gezahlt wurde. Sie übernahm gern Prozesse, in denen die Angeklagten arm und weiblich waren. Ihre besondere Vorliebe galt Frauen, die einen gewalttätigen Ehemann getötet hatten, um sich und die Kinder zu schützen. Sie gewann häufig und erreichte einen Freispruch oder zumindest eine sehr geringe Strafe. Immer erregten ihre Prozesse in den Medien großes Aufsehen. Sie nahm sie an, weil sie einerseits den juristischen Schlagabtausch im Gerichtssaal mit Männern liebte, die ihr unterlegen waren, und weil sie andererseits ins Fernsehen kam.
    Dadurch wurde sie nicht vergessen, und ihre exposure zog Klienten an wie ein heruntergefallenes Honigbrot meine Ameisen. Auch durch Eigentumsdelikte, Auseinandersetzungen zum Urheberrecht, Schadensersatzforderungen und den Verkauf meiner und anderer Fotos strömte Geld in die Kassen. Ich hielt ein gutes Aktienpaket an der Firma. Wir waren alle drei derart miteinander verfilzt, daß wir trotz unserer Hochs und Tiefs fast gezwungen waren, als lang andauernde menage à trois zusammenzubleiben – bis daß der Tod uns schiede.
    OSPE NEWS hatte allein in Madrid acht festangestellte Mitarbeiter für die tägliche Büroarbeit und ein weltweites Netz von Freien, um Fotos zu beschaffen und zu kontrollieren, ob unsere Copyrightansprüche erfüllt wurden. In den letzten Jahren hatten wir auch angefangen, Videos zu machen, und hatten im Souterrain ein erfolgreiches Facilityhouse eingerichtet, wo wir angereisten Fernsehreportern Technik und Teams vermieteten, aber unser

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