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Der Augenblick des Magiers

Der Augenblick des Magiers

Titel: Der Augenblick des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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sicher: Je länger er seinem Eroberer diese Tatsache verheimlichen konnte, um so größer war die Chance, daß Jon-Tom ihn würde überrumpeln können.
    »Das dachte ich mir«, sagte Gyrnaught. »Ich brauche einen Musiker.«
    Jon-Tom lag zwar die Bemerkung auf der Zunge, daß der Adler nicht eben wie ein Musikliebhaber aussah, doch zog er es vor, das lieber für sich zu behalten. Er versuchte sein Zittern zu beherrschen und einen mutigen Anschein zu bewahren. Dabei erwies sich die Tatsache als hilfreich, daß er heute abend nicht auf der Speisekarte stand.
    »Beeindruckender Ort, das hier.«
    »Ah, das ist aber erst der Anfang.« Gyrnaught wirkte erfreut. Gut, dachte Jon-Tom und gewann etwas an Zuversicht. Man konnte ihm also schmeicheln. In welchem Umfang, das blieb abzuwarten. »Das ist nur ein vorübergehender Hort für meine Truppen und mich. Die sind nur die Schaumkronen einer Welle, die einmal die ganze Welt überfluten wird. Heute gehört uns dieser Berg, morgen der Wrounipai und später die ganze Welt! Das Nest wird ein tausendjähriges Reich gründen und beherrschen!« Die Augen des Adlers blitzten, als würden sie sich auf etwas konzentrieren, das nur sie zu erkennen vermochten, und auch dies erinnerte Jon-Tom unbestimmt an irgend etwas Halberinnertes.
    »Ich weiß nicht, ob ich das Muster auf deinem Kilt und deiner Weste kenne.«
    »Das kannst du gar nicht, denn es stammt nicht von dieser Welt. Ich habe es vor vielen Jahren von einem anderen Ort hierhergebracht. So lange habe ich gebraucht, um auch nur diese kleine Einsatztruppe aufzustellen.« Er gab ein angewidertes Geräusch von sich. »Die Raubvögel dieser Welt lassen sich nur sehr schwer zur Wahrheit bekehren.«
    »Tatsächlich? Aus einer anderen Welt? Das ist ja interessant. Ich bin nämlich auch aus einer anderen Welt.«
    Die Augen des Adlers verengten sich. »Was du nicht sagst! Was warst du denn in deiner Welt?«
    »Ich habe Jura studiert und Lieder gesungen«, antwortete Jon- Tom wahrheitsgetreu.
    »Ich brauche Lieder. Was Recht und Gesetz angeht, so mache ich die selber.«
    »Und was warst du?« fragte Jon-Tom hastig, um das Thema zu wechseln.
    »Ich?« Der Adler sah mit stolzer Miene zu ihm hinab. »Ich war ein Symbol. Ich war überall, in Tausenden von Abbildungen. In Stein und Stahl und Messing. In Symbolen, die nur so klein waren...« Er hielt die beiden Flügelspitzen einen knappen Zentimeter auseinander. »... und in Steindenkmälern, die größer waren, als du dir vorstellen kannst. Ich war allenthalben ein Symbol, und alle Leute haben sich vor mir verneigt.
    Aber«, fuhr er zornig fort, »sie haben in mir nur ein Symbol gesehen. Sie haben nicht innegehalten und es sich noch einmal anders überlegt, als sie einen der Ihren zum Symbol machten, das noch über mir stand. Von diesem Augenblick an war meine Macht verloren. Ich konnte mein wahres Selbst nicht mehr ausdrücken. Als ihr Ersatzsymbol in Grund und Boden gestampft worden war, entging nur ich allein, von vielen Tausenden meiner Gattung, der Vernichtung. Während ich in Symbolen vernichtet wurde, fand ich mich in dieser Welt in Freiheit wieder. Hier bin ich wieder ganz ich selbst und kann die Arbeit endlich selbst erledigen.« Er zeigte auf die Raubvögel, die durch den Schacht schwärmten. Das Licht tanzte auf ihren Schwingen.
    »Meine Soldaten werden über alles herrschen. So will es das Schicksal, daß nämlich die Starken über die Schwachen herrschen. Wir mit den Schnäbeln und Klauen werden über jene regieren, die nur gehen können. So ist es recht. So will es die Vorsehung.«
    Plötzlich fiel Jon-Tom alles wieder ein. Er hatte sich zu intensiv mit Geschichte beschäftigt, als daß er nicht schließlich doch hätte darauf kommen müssen.
    Er hatte Gyrnaught schon gesehen, in Metall- und Steinstandarten. Genau wie es der Adler beschrieben hatte. Er hatte ihn auf Bildern gesehen, wie er über schaurigen Paradeplätzen aufstieg, über kalten, unmenschlichen Gebäuden, eine eingefrorene Karikatur des Bösen.
    »Ich kenne dich«, sagte er. »Das war zwar vor meiner Zeit, aber ich weiß, was du bedeutest.«
    Gyrnaught sah ihn zufrieden an. »Nicht nur ein Musiker, auch ein Historiker! Du wirst dem Nest noch nützlicher sein, als ich erwartet habe. Dann sag mir: Kennst du das Horst-Wessel- Lied?«
    »Nein. Wie ich schon sagte, das war vor meiner Zeit. Aber ich weiß, was für Musik du haben willst. Doch was ich wissen möchte: Weshalb sollte ich für dich singen? Warum sollte ich dir

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