Der Augenblick des Magiers
Massive Steindämme verbanden die drei Inseln miteinander. Ihre zahlreichen Bögen waren hoch genug, um den größten Teil des Schiffsverkehrs ungehindert hindurch zulassen.
Alle waren sie mit geschnitzten Muscheln und Tiergesichtern verziert.
Die Dämme und Brücken bevölkerten ganze Scharen von Leuten, und das stetige Gesumme ihrer Gespräche hallte über das Wasser. Das Geplapper zeugte von einer pulsierenden Gemeinschaft voller Leben und Handelsaktivität.
Quasequa sah für Jon-Tom wirklich nicht wie eine Stadt aus, die unter das Joch eines fremden Tyrannen geraten konnte. Doch im Augenblick standen die Bürger ja auch nicht auf Kriegsfuß mit ihrer eigenen Regierung. Noch nicht. Wenn Glück, Geschick und Charme ihm treu waren, würde das Antlitz dieser wunderschönen Metropole immer so bleiben, wie es heute morgen aussah.
Blumen. Noch nie hatte er so viele Blumen auf einmal gesehen. Auf dem Wasser trieben handtellergroße Blüten vorbei, leuchtend lavendelfarben mit gelben Streifen. Er nahm eine von ihnen auf und atmete den schweren Duft tief ein: reines Pfefferminz.
Neben ihnen drängten sich kleinere Boote heran. Sie waren mit dem gewohnten ungewöhnlichen Gemisch verschiedenster intelligenter Arten und Rassen bevölkert, die Kunstgewerbeartikel, Trockenfisch, frisches Obst und Gemüse, eiszaubergekühlte Getränke, erotische Kunst und Schiffsvorräte verkauften. Memaw steuerte zwischen ihnen hindurch und beachtete die vertrauten Lockrufe der fahrenden Händler nicht.
An den Baumwipfeln blühten Blumen, an den Gebäudemauern, aus den ordentlichen grünen Hecken, die die Straßen einfaßten, und sogar auf dem offenen See. Gummiartige, lilienähnliche Schwimmpflanzen trieben vorbei, deren Mitte mit winzigen blauen Blüten übersät waren, die kaum größer waren als Jon-Toms kleiner Fingernagel. An seidenen Ballons, die durch die Luft schwebten, hingen noch winzigere Blüten. Wenn die Brise sich legte, senkten sie sich aufs Wasser, um beim nächsten Windstoß wieder aufzusteigen. So sah der Himmel aus, als hinge er voller fliegender Rubine.
Memaw lehnte sich auf das Steuerruder, und das Boot schwenkte leicht gen backbord, den niedrigen Kais entgegen, die sich am Ufer der Insel Quase entlangzogen.
»Dort gibt es ein Gast'aus, das wir immer aufsuchen, wenn wir 'ier'erkommen«, erklärte sie Jon-Tom. »Dort kann man gut essen und sich ausru'en, während man die allerneuesten Gerüchte und den saftigsten Tratsch verdaut.«
»Alles hier sieht so normal aus«, erwiderte er. »Die Leute wirken recht zufrieden. Vielleicht kommen dieser Markus und ich ja doch ganz gut miteinander aus.«
»Manchmal verbirgt sich unter 'nem gesunden Pelz nur faulendes Fleisch. Wir werden se'en. Auf jeden Fall wird es schön sein, mal wieder in 'nem richtigen Bett zu schlafen.« Sie führte eine minimale Kurskorrektur durch und wies auf ein zweistöckiges Felsgebäude unmittelbar vor ihnen. Es stand direkt an der Wasserkante.
»Der Bursche, der dieses 'aus leitet, Cherjal, weiß so ziemlich alles, was in Quasequa passiert. Er müßte uns eigentlich aufklären können, ob du es 'ier mit 'ner gefährlichen Aufgabe zu tun ‘ast, oder ob du dich entspannen und die Se'enswürdigkeiten der Stadt genießen kannst.«
Als sie näher kamen, wurde Jon-Tom auch klar, weshalb das Gasthaus an dieser Stelle erbaut worden war: Auf diese Weise konnte es nämlich die Landbewohner ebenso bedienen wie die auf dem Wasser fahrenden Gäste. Sie fanden eine freie Anlegestelle, banden das Schiff an, und Jon-Toms neue Verbündete führten ihn in das Gebäude.
Der große Speise- und Trinksaal hatte eine niedrige Decke und war überfüllt mit plaudernden Moschusratten, Bibern, Koipus, Wasserschweinen und ihnen unbekannten Ottern. Durch eine Öffnung zum See drang Wasser in den Saal, was den gelegentlich hereinschwimmenden Frischwasserrobben freien Zutritt ermöglichte.
Draußen dröhnte Donner. Sie waren gerade noch rechtzeitig hereingekommen, um einem tropischen Gewitter zu entgehen. Durch die Seeöffnungen konnte Jon-Tom erkennen, wie die schweren Tropfen auf die glatte Seeoberfläche klatschten; er war froh, daß sie gerade jetzt an Land gegangen waren. Im Inneren des Gasthauses war es gemütlich und trocken.
Memaw ließ sie an mehreren Tischen Platz nehmen und kehrte wenige Augenblicke später mit dem Besitzer zurück.
Jon-Tom erhob sich nicht, um ihn zu begrüßen, dazu war die mit leuchtenden, meergrünen Kacheln geflieste Decke zu
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