Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)
ehemaligen Laden in der Naunynstraße, in dem das Büro des Schoko-Frauenzentrums untergebracht ist. Im Schaufenster liegen aufgefächert blaue Broschüren zum Angebot des Frauensports, an der Hauswand geben glänzende Metallschilder Auskunft über Angebot und Öffnungszeiten der einzelnen Projekte. Das Büro ist an diesem Tag ungenutzt. Wir lassen uns nieder am Besuchertisch zwischen wohlgeordneten Schreibtischen mit Computern, Aktenregalen und Pinnwänden. Bea bewirtet uns mit Kaffee und erzählt:
»Also, drüben, die beiden Hinterhäuser in der Mariannenstraße, das war früher ja mal die Kreuzberger Schokoladenfabrik Greiser & Dobritz. Sie hat 1968 geschlossen und ist danach mehr als zehn Jahre leergestanden, bis die Gebäude dann 1981 besetzt wurden. Da war schnell klar, es sollte ein autonomes feministisches Frauen- und Lesbenzentrum gegründet werden. 1982 wurden die Häuser legalisiert und mit Hilfe von öffentlicher und privater Unterstützung zum Frauen-Stadtteil-Zentrum Kreuzberg e. V. Schokofabrik ausgebaut. Nach der Wende wurde es dann langsam schwieriger, als die Fördermittel knapper wurden in der Stadt. Und dann kam die Verkaufsgeschichte. Die Gebäude hier gehörten ja der GSW, der ›Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft‹, sie war achtzig Jahre lang öffentliches Eigentum. Der Senat hat die GSW dann 2004 an die US-Investgesellschaft ›Cerberus‹ verkauft. Und 2003 haben wir gesagt, wir sollten das kaufen, denn sonst sind wir weg vom Fenster. Geld hatten wir keins und haben dann mit Anne Wulff zusammen, vom Finanzkontor, das Genossinnenschaftsmodell entwickelt. Und 2004 haben wir’s dann tatsächlich gekauft, insgesamt vier Häuser: Also, hier die Naunynstraße – Vorder- und Hinterhaus – ist Frauenwohnprojekt und wurde von den Frauen als Eigentumswohnungen gekauft, und wir haben als Genossinnenschaft drüben die Mariannenstraße gekauft, Vorder- und Hinterhaus. Hinten sind unsere Veranstaltungsetagen. Da sind auf etwa 1000 Quadratmetern, verteilt auf sechs Etagen, unsere Dienstleistungen, sag ich mal, und sozialen Angebote untergebracht. Das sind: die Sport- und Tanzetagen, der Treffpunkt für Frauen und Mädchen aus der Türkei, die Tischlerinnenwerkstatt und das Café im Erdgeschoß, das aber derzeit geschlossen ist, und unten im Haus befindet sich das Frauenbad, der Hamam. Das Vorderhaus ist normal vermietet. Und hier in der Naunynstraße haben wir dann noch das Büro, den multikulturellen Schülerinnenladen ›Schokoschnute‹ und die Beratungsstelle für Rechts-, Miets-, Erwerbslosen- und psychosoziale Beratung. Also, dieser ganze Teil ist das Frauenzentrum, und das ist sozusagen Mieterin bei der Genossinnenschaft. Und damit das auch funktioniert, haben wir die Aktion ›1000 Tanten für die Schokofabrik‹ gemacht; die Schokotanten helfen uns mit einem Monatsbeitrag von 2,50 Euro, die Betriebs- und Unterhaltskosten aufzubringen. Es läuft, aber wir müssen gut kalkulieren. Es arbeiten jetzt zwanzig Frauen im Projekt.
Meine Arbeit als Hausmeisterin ist quasi so im Schnittpunkt angesiedelt, ich bin für alle vier Häuser und zwei Grundstücke zuständig und für die gesamte Hausverwaltung. Dafür habe ich achtzehn Stunden in der Woche zur Verfügung, da muß ich schon sehr strukturiert vorgehen, um die Arbeit zu schaffen. Aber ich habe ja mal ›ländliche Hauswirtschaft‹ gemacht, da lernt man strukturieren, das kommt mir jetzt zugute.« Wir fragen nach dem Hamam, und ob auch türkische Frauen kommen. »Na, eher nicht, die kommen aber zum Treffpunkt und in die Beratung. Damals, als das alles hier aufgebaut wurde, da gab’s die Idee, etwas türkische Kultur herzuholen. Unsere Architektinnen sind sogar in die Türkei gefahren und haben sich das dort angeguckt. Was rausgekommen ist, das ist halt so eine Mischung aus deutschem Bad- und Schwimmbadstil, mit ein paar orientalischen Akzenten wie die Mosaikkuppel und die Badenischen mit den Marmortrögen, na ja, und dann hat man halt mit Tüchern, Teppichen und orientalischen Lampen etwas Farbe reingebracht. Heute würde man das, glaube ich, anders bauen. Aber die Frauen kommen gern, das wird auch gern verschenkt, so ein Hamambesuch. Es gibt auch eine winzige Sauna und Räume für Pflege und Kosmetik und für Massage und Entspannung. Drei Stunden baden kosten zwölf Euro, fünf Stunden 21 Euro. Behandlung wie Massagen, Peeling, Enthaarung usw. kostet natürlich extra, Beinenthaarung z. B. 26 Euro. Ja, nichts für
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