Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)
Ich sehe zwar keinen Unterschied, aber das Gefühl ist nicht da, das Supergefühl, das ich jedesmal durch das Training habe. Es ist genau so, wie wenn jemand Drogen nimmt und dann zwei Tage nicht. So etwa kann man sich das vorstellen.
Man lernt eben, daß man gut mit seinem Körper umgeht. Ich achte sogar beim Training auf ›kosmetische Richtlinien‹«, sie lacht, »ich achte z. B. auf die Haut. Ich habe eine sehr schöne Haut, nicht nur am Körper, auch an den Händen.« Sie reicht uns ihre Handinnenfläche, sie ist zart und ohne Schwielen. »Ich trage keine Handschuhe. Das ist alles eine Frage der Technik. Wenn ich jetzt z. B. eine Stange nehme, dann richte ich meine Hand so lange aus, bis sie glatt aufliegt. Mich haben schon viele angesprochen daraufhin. Viele haben z. B. auch Dehnungsstreifen in ihrer Haut. Ich hab’ keinen einzigen. Und das liegt daran, daß ich schon so viele Jahre trainiere und langsam aufgebaut habe. Viele haben teilweise in zwei Jahren zwanzig bis dreißig Kilo mit Doping drauf, anders geht es gar nicht in der kurzen Zeit. Die Haut wächst da nicht mit in der Geschwindigkeit.
Manche Männer machen ja teilweise Mastkuren vor dem Wettkampf, wiegen 150 Kilo und gehen dann 30 Kilo wieder runter für die Bühne. Und da hängt die Haut dann eben einfach weg, wenn sie das ein paar Mal machen, das ist dann Labber. Viele haben überhaupt keinen Überblick mehr über ihren Körper. Die merken auch nicht, wenn sie krank sind. Also, ich hab’ durch die Selbstwahrnehmung schon viele Vorwarnungen von Krankheiten erfahren, die der Arzt dann praktisch unterbunden hat, rechtzeitig. Durch den Sport muß ich auch wissen, wie der Zuckerspiegel ist. Ich fühle das genau. Durch den Kopf, mit den Augen und dem Bauch. Vom Kopf geht’s in den Bauch, so ein richtig unwohles, flaues Gefühl. Ahnlich wie das Angstgefühl, vom Kopf über die Augen in den Bauch. Die Augen sehen schlechter. Wenn ich das Gefühl spüre, dann trink ich erst mal einen Schluck und sehe zu, daß ich was esse. Wenn ich trainiere, mag ichs nicht, daß mich jemand anspricht. Davon werd’ ich nervös, dann steigt das Adrenalin, es wird zu viel verbraucht, also der Ofen brennt schneller, und der Zuckerspiegel geht runter.
Ich brauche meine Ruhe beim Training. Es ist ein bißchen wie eine Trance. Man ist eins – sonst ist man ja verschiedene Personen, manchmal jedenfalls. Man braucht so eine halbe Stunde, bis man in dem Zustand drin ist. Wenn das Gewicht dann in der Hand liegt, empfindet man das nicht als störend, daß man was Schweres in der Hand hat. Es wirkt so, wie wenn’s dazugehört. Es gibt nicht mehr den Körper, die Arme, das Gewicht, drei Dinge. Das ist alles eins. Das Gewicht ist kein Fremdkörper. Der Kopf leitet es, der Körper macht’s. Egal, wieviel Gewicht in der Hand ist. Ist wurscht!« Sie lacht. »Alles, was draußen ist, ist weg für die Zeit. Das ist die einzige Situation, wo ich einen Raster krieg, wenn einer daherkommt und das stört, weil er ’ne Übung gezeigt kriegen will oder was. Es ist ja auch gefährlich. Da kann ja sonst was passieren, wenn man erschrickt. Also, dieser Zustand, der ist mir sehr wichtig. Sonst würde ich das tägliche Training gar nicht auf mich nehmen. Den würde ich am liebsten den ganzen Tag lang haben, aber er verfliegt wieder.«
Auf die Frage, wie lange sie trainiert, erklärt sie: »Unterschiedlich. Mindestens zwei bis drei Stunden, drunter geht gar nichts. Nur am Gerät. Nur Hanteltraining. Also, ich schau dann auch wirklich schlecht aus im Gesicht, teilweise. Weil sich das Gesicht ja dabei anspannt. Ich hab’ sogar eine Spange, weil man durch das Training auch die Kaumuskeln mittrainiert und alles, unbewußt. Die nimmt man in den Mund, und beim Zusammenbeißen merkt man’s dann. Das sollte ja alles ein bißchen weicher bleiben im Gesicht. Aber ich trainiere eigentlich immer auf Höchstleistung, und danach bin ich fertig, Ich muß schon sagen, ich quäl bei jedem Training meinen Körper. Aber ein bißl schmerzhaft soll es eigentlich schon werden. Wenn ich jetzt nur acht Wiederholungen mache mit dem Höchstgewicht, dann merke ich nichts. Das ist für die Katz. Ich muß weitergehen, es langsam steigern. Ein Beispiel Kurzhantel, zwölfeinhalb Kilo, ich mache jetzt eine Übung, und aus der Übung mach’ ich einen Satz, und zwar so lange, bis ich merke, daß das Brennen anfängt in der Muskulatur, das strebe ich an. Es soll sich voll steigern. Und dann gehe ich über die
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